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(Retro)² = ZX81 Emulator für Atari ST

Eine E-Mail von meinem Blogger-Kollegen Oli – ein gleichgesinnter Atari-ST-Fan und ebenfalls Programmierer – nehme ich heute zum Anlass, einen kleinen Softwarearchäologie-Report zu verfassen. Er sprach mich auf einen alten ZX81-Emulator an; ein Emulator für den Atari ST, den ich seit bestimmt 20 Jahren nicht mehr gesehen habe, und mit dem ich einige der interessantesten Erinnerungen aus meiner Kindheit verbinde. Den Artikel schreibe ich freilich aus der Sicht von jemandem, der das Programm als Kind verwendet hat, und nicht etwa von jemandem, der professionell damit umgehen kann.

ZX81 Emulator: Ein sehr kreatives Tastaturlayout

ZX81 Emulator: Ein sehr kreatives Tastaturlayout

Ich erinnere mich noch sehr gut an dieses kleine aber großartige PD-Programm von Christoph Zwerschke, das zum ersten Mal im Oktober 1990 auf der Beilagediskette des TOS-Magazins veröffentlicht wurde. Ich war kaum sieben Jahre alt und hatte schon ganz grob begriffen, was ein Emulator ist. Dieser hier emulierte einen Sinclair ZX81 – ein kleiner Homecomputer aus England (von dem namensgebenden Erfinder Sir Clive Sinclair), der zum Zeitpunkt meiner Geburt bereits veraltet und Anfang der 90er praktisch museumsreif war. Wenn man den Emulator startet, bekommt man einen Begrüßungsbildschirm zu sehen, und dann nur noch ein Eingabefenster. Das war schon damals nicht unbedingt besonders einladend, wenn man grafische Benutzeroberflächen (wie TOS) gewohnt war, aber ich kannte zum Glück den GFA-BASIC-Interpreter, und der sah ähnlich spartanisch aus. Keine Ahnung, wie ich darauf gekommen bin (vielleicht habe ich ja wirklich die README-Datei gelesen), aber mit der Eingabe von LOAD „“ offenbarte sich mir eine fantastische Welt primitiver BASIC-Spiele, und das war für mich in dem Alter das Beste an dem Emulator.

Mein Vater schüttelte den Kopf als er diese äußerst altbackene Klötzchengrafik sah, und er wunderte sich, wie ich damit soviel Spaß haben konnte, wo der ST doch so tolle hochauflösende Monochromspiele und knallbunte Farbspiele hatte. Möglicherweise war das der Moment, in dem ich endgültig erkannte, dass Spielspaß praktisch nichts mit Grafik zu tun hatte, und mit Sound schon gar nicht, denn den gab es sowieso nicht: Der ZX81-Emulator blieb immer stumm. Keine Frage, ich liebte mein Highway Patrol 2, mein Cadaver, und mein Double Dragon, und all die anderen tollen Spiele, die ich in meiner Diskettenbox hatte, aber der ZX81-Emulator löste mit seiner merkwürdigen Schwarz-Weiß-Zeichensatz-Grafik eine wirklich kaum zu beschreibende Faszination bei mir aus.

3D-Monster-Labyrinth: Vor dieser Kreatur habe ich mich gefürchtet

3D-Monster-Labyrinth: Vor dieser Kreatur habe ich mich gefürchtet

Eine ganze Menge Spiele lagen dem Emulator bei, alle in Form von (kaum lesbaren) BASIC-Quellcodes. Mit dem Befehl RUN wurde das geladene Programm gestartet. Das waren ganz unterschiedliche Spiele: Night Driver, eine schwierige Rennsimulation, oder Varianten von Hangman und Centipede gab es, außerdem mit Hamurabi ein zahlenlastiges Resourcen-Management-Spiel, das ich kaum verstand. In Olympiade musste man abwechselnd die Tasten 5 und 8 drücken, damit der eigene Läufer immer schneller wurde, und mit der Taste 0 konnte man dann abspringen (beim Weitsprung). Viele Stunden Spaß hatte ich mit Mazogs, dessen Omikron-Äquivalent Maziacs ich schon kannte – ein Labyrinth voller Riesenspinnen, in dem man eine Schatztruhe finden musste. Daneben gab es mit Star Trek ein aufwändiges Weltraumspiel mit Handlung, an dem ich mich immer wieder versucht habe, obwohl ich noch etwas zu jung war, um die Rätsel zu verstehen.

Es gab noch diverse Programme, die etwa Schaltpläne generierten, oder einen Biorhythmus berechneten. Das hat mich damals aber alles nicht so interessiert. Spannend war noch das Spiel Animals, eine Umsetzung von „20 Questions“. Ohne die Theorie hinter Binärbäumen zu kennen, hatte ich natürlich Schwierigkeiten mir vorzustellen, wie der Computer am Ende praktisch jedes Tier erraten kann. Das mit Abstand gruseligste Spiel war das 3D-Monster-Labyrinth. Der Spieler musste ein zufällig generiertes Labyrinth in der Ich-Perspektive durchlaufen, während am anderen Ende des Labyrinths ein Monster umherirrt, das seinerseits den Spieler sucht. Ich kann bis heute nicht sagen ob das Monster sich in Echtzeit bewegt, oder doch nur rundenbasiert, aber ihm versehentlich zu begegnen, hat mich immer wieder erschreckt. Es war auf jeden Fall ein tolles Beispiel für ein sehr simples Spiel mit Suchtfaktor, das im besten Fall zweckmäßige Grafik und absolut keinen Ton hatte. Also entweder war ich schon damals wirklich verloren, oder diese Spiele hatten einfach einen gewissen Reiz.

Star Trek: Klötzchenwelten mussten mit Hilfe des Ziffernblock erforscht werden

Star Trek: Klötzchenwelten mussten mit Hilfe des Ziffernblock erforscht werden

Kaum zu glauben, aber wahr: Christoph Zwerschke, der Entwickler des ZX81 Emulator, ist sogar noch mit einer eigenen Webseite im Internet vertreten (letzte Änderung allerdings im März 2001!), und er bietet dort die letzten Versionen seiner alten ST-Programme an, darunter natürlich auch dieser wunderbare Emulator. Extra für ein paar Screenshots habe ich daher den ST-Emulator angeworfen, um nach über 20 Jahren den ZX81-Emulator anzuwerfen, um dessen grobpixelige Spiele mal wieder anzuwerfen und digital abzulichten. Quasi eine kleine Emulatorception. Oder Retro im Quadrat. Und tatsächlich, ich konnte mich noch an so manches Bedienungsdetail erinnern. Und mit der HELP-Taste kann man sich ja im Notfall noch das Tastaturlayout einblenden lassen. Vielleicht spiele ich nochmal kurz eine Runde 3D-Monster-Labyrinth. Retroflash in 3 … 2 … 1 …

5 Gedanken zu „(Retro)² = ZX81 Emulator für Atari ST

  1. Gerry

    Finde ich ja witzig, dass auch Dir der Emulator in Erinnerung geblieben ist. Mein Lieblingsspiel aus der Sammlung war – sofern ich mich jetzt nicht ganz vertue – ein Spiel, bei dem man ein Männchen von links nach rechts auf eine Burg zubewegen und diese einnehmen muss. Dabei wird man mit Pfeilen beschossen, denen man ausweichen musste.

    Mein Vater konnte ja schon zu meinen PC-Zeiten Mitte der 90er kein Verständnis dafür aufbringen, wie mich ein C64-Emulator so begeistern konnte – gut, dass er mich gar nicht erst mit dem ZX81-Emulator auf dem ST gesehen hat ;-).

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  2. Vince Beitragsautor

    Hey Gerry, so langsam fange ich aber an zu glauben, dass ich die Retro-Artikel maßgeschneidert für deine Erinnerungen schreibe, so oft wie wir uns thematisch begegnen ;-)

    Aber umso besser. Ich denke ich erinnere mich ganz dunkel an dieses Spiel, das du beschreibst. Ich glaube damit konnte ich solange nichts anfangen, bis ich irgendwann durch Zufall herausfand, welche Tasten man drücken musste.

    Meine ZX81-Phase hat mein Vater erfolgreich verdrängt. Aber er lacht immerhin noch manchmal, wenn er mal wieder auf chip.de oder sonstwo einen Screenshot von Rick Dangerous, Cadaver oder Joust sieht, weil ihn das an einen laut fluchenden kleinen Jungen erinnert, der zornig seinen Joystick herumwirft. Mein Vater begeisterte sich auf dem Atari ST mehr für Simulationen wie Silent Service II, M1 Tank Platoon oder Falcon F-16.

    Ich könnte noch ewig über diese Zeiten schreiben. Wird wohl schon wieder Zeit für den nächsten Artikel.

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  3. Matthias Jaap

    Der ZX81 war mein erster Computer (obwohl ich mit ihm nicht viel anzufangen wusste), gekauft für 50DM bei Vobis. Als ich dann den Emulator auf dem Cover der TOS entdeckte, kaufte ich das für meine Verhältnisse (Schüler) teure Heft.

    Der Emulator ist klasse, einer der besten Software-Emus für den ST. Ich hatte dann sogar einige alte ZX81-Spiele abgetippt und eine ZX81-Homepage gebastelt. Highlight des Emulators war die Joystick-Unterstützung.

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  4. Oli

    Mit dem ZX81 Emulator habe ich meine ersten Schritte in der Programmierung mit Basic unternommen. Insofern ein großartiges Stück Software. Wer weiß ob ich Entwickler geworden wäre wenn es diesen Emulator nicht gegeben hätte…
    Mein Lieblingsspiel war Donkey Kong, ich glaube es hieß am ZX81 allerdings anders.

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    1. Vince Beitragsautor

      Das Donkey Kong auf dem ZX81 hieß einfach nur „Kong“. Ich habe dieses Spiel damals auch sehr gerne gespielt, lange bevor ich mit Donkey Kong zum ersten Mal das Original sah. Mich fasziniert bis heute, wie man mit solch primitiven Mitteln, ohne Ton, ohne Farben, mit einer sagenhaft niedrigen Auflösung, nur mit Buchstaben und unterschiedlich gepixelten Blöcken eine ganze Reihe von wirklich witzigen Spielen erschaffen konnte. Man brauchte damals viel Fantasie und davon hatte ich zum Glück jede Menge.
      Durch diesen Emulator lernte ich den ZX81 zu lieben, ohne je einen echten ZX81 gesehen zu haben. Ist schon verrückt.

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