Mein Name ist Bauer, Jack Bauer!

In der berühmten Echtzeitserie ‘24’, die von 2001 bis 2017 produziert wurde, tickt die Uhr unentwegt, jede einzelne Episode umfasst genau eine Stunde in einer Handlung, die sich über exakt 24 Stunden erstreckt. Werbeunterbrechungen bei Fernsehausstrahlungen wurden dabei genialerweise in die Laufzeit einberechnet. Dieses Konzept wird für 8 der 10 bis heute existierenden Staffeln beibehalten, aber die letzten beiden 12-Episoden-Staffeln sind nur noch auf dem Papier 24 Stunden lang. Diese US-amerikanische Fernsehserie habe ich in den vergangenen Monaten verkonsumiert und vor wenigen Tagen abgeschlossen. Wie immer beende ich dieses Kapitel mit einem kurzen Artikel zu meinen Eindrücken. Der wird nicht ganz spoilerfrei werden, aber ich reduziere diese auf ein Minimum, damit es weiterhin lohnenswert bleibt, die Serie selbst zu erfahren.

In ‘24’ geht es um die schwierige Arbeit der fiktiven amerikanischen Anti-Terror-Bundesbehörde CTU (Counter Terrorist Unit), und im Speziellen um deren kompetenten Vorzeige-Agenten Jack Bauer, großartig gespielt von Kiefer Sutherland. Auf der Gegenseite tummeln sich in jeder Staffel die schlimmsten Terroristen, die man sich nur vorstellen kann, und die leider nur eines im Sinn haben: Die Grundfeste der Vereinigten Staaten oder der gesamten Welt mit Hilfe brutaler terroristischer Akte zu erschüttern. Oftmals handelt es sich bei den geplanten Anschlägen um Atombomben, die etwa mitten in Los Angeles gezündet werden sollen, ein Attentat auf einen bedeutenden Präsidentschaftskandidaten, ein Anschlag mit einer biologischen Waffe, der unzählige zivile Opfer zur Folge hätte, oder etwa eine mörderische Verschwörung, in die der US-Präsident und die russische Regierung verwickelt ist. Der Einsatz ist hoch, die Gefahr ist groß, die Zeit ist knapp.

Bauer ist dabei der eine Mann, der immer wieder die Dinge tut, die absolut nötig sind, um die Terroristen aufzuhalten. Dabei muss er von Staffel zu Staffel seine eigenen moralischen Grenzen immer weiter überschreiten, wenn er beispielsweise gezwungen ist, Menschen zu foltern und zu ermorden, nur um die Mission irgendwie noch zu retten. Um die Bürger des Landes zu schützen, hat er oft gar keine andere Wahl, als ein paar Wenige dafür zu opfern, und doch kann er sich dafür nicht einmal selbst verzeihen. Als Zuschauer erlebt man dabei seinen persönlichen Abstieg in die Dunkelheit, da er stets auch einen Teil von sich selbst tötet, wenn er diese schrecklichen Gräuel begehen muss. Folgerichtig soll er zu einem späteren Zeitpunkt in der Serie für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden, wobei er auch dann noch bekräftigt, dass die Öffentlichkeit nie verstehen würde, welche Maßnahmen nötig sind, um das Land gegen erbarmungslose Angreifer zu verteidigen. Denn bei der CTU heiligt der Zweck die Mittel. Alles andere wäre eine Kapitulation gegenüber dem Terror.

Nicht nur Bauer selbst, sondern auch seine geliebten Mitmenschen geraten viel zu oft ins Visier der Täter. Bereits in der ersten Staffel werden seine Frau und seine Tochter entführt, und plötzlich sitzt er zwischen den Stühlen, bei dem schier aussichtslosen Versuch seine Familie zu retten und sich gleichzeitig nicht zur Marionette der Terroristen machen zu lassen. Und auch danach ergeht es den Frauen, die sich mit Jack einlassen, nie besonders gut. Spätestens nachdem Bauer für Jahre in chinesischer Gefangenschaft in einem geheimen Foltergefängnis landet, und er endlich sehr viel Zeit hat, sich über seine vielzähligen Sünden Gedanken zu machen, ist es um seine geistige Gesundheit nicht mehr allzu gut bestellt: Seine erheblich gestiegene Risikobereitschaft in den lebensgefährlichen Einsätzen lässt sich nur noch damit erklären, dass er aktiv die Erlösung durch den Tod sucht.

‘24’ ist eine unvergleichlich spannende Serie, die von dem Echtzeitfaktor durchaus profitiert. Doch es gibt zwei negative Aspekte, die meist sehr nervtötend sein können: Fans der Serie wissen natürlich wovon ich rede: Kim und Teri Bauer, die Teenager-Tochter und die Ehefrau von Jack Bauer. Die ersten beiden Staffeln werden beinahe zur Qual, wenn diese beiden notorischen “Damsels in Distress” immer wieder wie Kleinkinder in die Hände von Entführern oder anderer Psychopathen stolpern, oder von Berglöwen umzingelt werden. Natürlich geschieht dies alles mit dem Ziel, die Serie auch zwischendurch an den Nebenkriegsschauplätzen noch durchgängig spannend zu gestalten, doch leider führt dies dazu, dass man als Zuschauer die übertrieben leichtsinnigen, naiven Damen einfach nicht mehr ernst nehmen kann. Ich jedenfalls konnte mich nicht erwehren, wiederholt mit den Augen zu rollen, wenn Kim und Teri mal wieder wie Betrunkene herumirrten, um sich sofort erneut in Gefahr zu bringen.

Wichtige staffelübergreifende Hauptcharaktere sind einige von Jacks langjährigen CTU-Kollegen, darunter Tony Almeida, Chloe O’Brian, Nina Myers und Michelle Dessler, außerdem David Palmer, der Senator und spätere US-Präsident, dem Jack das Leben rettete, und der ihn dafür konsequent unterstützt. Die Charaktere sind durchweg sehr gut geschrieben und wachsen dem Zuschauer sehr ans Herz. Leider müsste man eine vollständige Dokumentation schreiben, um auf die vielen wichtigen Einzelheiten der Charaktere und die komplexen Wendungen in der Handlung einzugehen. ‘24′ zeichnet sich auch dadurch aus, dass Hauptcharaktere manchmal zum Schein (oder auch tatsächlich) die Seiten wechseln und/oder in dramatisch inszenierter Weise sterben. Wenn ein langjähriger Hauptcharakter in der Serie das Zeitliche segnet, wird dies fast immer mit einer lautlosen Uhr (Silent Clock) vorwiegend am Ende einer Episode gewürdigt. Einige dieser Serientode sind wirklich schonungslos und brennen sich schnell ins Gedächtnis ein, (Achtung, Spoilerwarnung!) wie etwa die grausame Hinrichtung von CTU-Chef Ryan Chappelle in Staffel 3.

Für mich ist es bereits das zweite Mal, dass ich die Serie gesehen habe, zuletzt endlich auch mit den Staffeln 9 und 10, die es beim ersten Mal noch nicht gab. Wie spannend die Serie in vielen Momenten ist, lässt sich kaum vergleichen. Man muss es wahrscheinlich einfach erlebt haben um es zu verstehen, und das kann ich an dieser Stelle absolut empfehlen. Die Abenteuer von Jack Bauer im Kampf gegen das Unrecht sind in jedem Fall sehenswert und man darf sich auch von der teils gewöhnungsbedürftigen ersten Staffel hierbei nicht abschrecken lassen. Es gelingt den Autoren immer wieder, noch eine Schippe draufzulegen, obwohl man meint, es könne nicht noch gefährlicher und brenzliger werden, und plötzlich stirbt der eine tolle Seriencharakter, den man doch so sehr mochte. Spätestens dann wird es persönlich. Leider spielt Kiefer Sutherland in der zehnten und letzten Staffel nicht mehr mit, was die Qualität drastisch reduziert, denn sein Ersatz ist eher dürftig. So endet die Serie unverdient mit einem relativ schwachen, kurzen und ziemlich unnötigen Finale.

2 Gedanken zu „Mein Name ist Bauer, Jack Bauer!

  1. r23

    Ich habe vor vielen Jahren nur die ersten Staffeln gesehen.

    In Staffel 1 muss er den US-Präsidentschaftskandidaten David Palmer vor einem Attentat schützen, während seine Tochter und seine Frau von serbischen Kriminellen entführt werden. In Staffel 2 muss er eine Atombombe in Los Angeles finden und entschärfen, während er auch mit seinem Drogenproblem und dem Tod seiner Frau zu kämpfen hat. In Staffel 3 muss er einen tödlichen Virus stoppen, der von einem mexikanischen Drogenkartell freigesetzt werden soll, während er auch seinen ehemaligen Partner und Freund Tony Almeida verraten muss.

    Die Gewaltdarstellung fand ich extrem abstoßend. Die politischen Botschaften in der Staffel störten mich

    Die Darstellung von Folter als legitimes und effektives Mittel zur Terrorbekämpfung. Jack Bauer foltert oft Verdächtige oder Zeugen, um Informationen zu erhalten, und wird dabei selten zur Rechenschaft gezogen oder moralisch hinterfragt. Dies ist eine Verharmlosung oder sogar Rechtfertigung von Folter, die gegen die Menschenrechte verstößt.

    Die Darstellung von Muslimen und Arabern als stereotypische Terroristen oder Feinde. Die Serie zeigt oft muslimische oder arabische Charaktere als gewalttätig, fanatisch oder hinterhältig, die entweder direkt an Terroranschlägen beteiligt sind oder diese unterstützen.

    Die Darstellung von US-amerikanischen Institutionen und Politikern als korrupt, inkompetent oder böswillig. Die Serie zeigt oft, wie US-amerikanische Behörden, Geheimdienste oder Politiker entweder unfähig sind, die Terrorgefahr zu erkennen oder zu bekämpfen, oder sogar selbst daran beteiligt sind.

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    1. Vince Beitragsautor

      Hallo!
      Und danke für deine klare Meinung zur Serie!

      Ich verstehe deine Probleme mit 24 absolut. Aber ich finde, so einseitig wie du es beschreibst, ist es eigentlich nie. Ich bin wohl der falsche, der die politischen Implikationen von 24 erörtern sollte, aber auf deine Punkte möchte ich kurz eingehen.

      Also es stimmt schon, dass in der Serie immer wieder auf Folter als notwendiges Übel zurückgegriffen wird, aber dabei gibt es immer auch heftige Widerstände, Jacks Handlungen werden durchaus immer wieder moralisch hinterfragt (von allen möglichen Akteuren), und die Serie signalisiert auch, dass das nicht richtig und gut sein kann. Selbst Jack sagt das, und wie ich betont habe, zerstört es ihn auch.
      Wenn du die späteren Staffeln nicht gesehen hast, weißt du vermutlich nicht, dass er juristisch zur Rechenschaft gezogen und von seinem eigenen Land verfolgt wird. Jack ist eben nicht der Gute in der Serie, auch wenn er vielleicht nur gute Absichten hat. Und Jack gewinnt am Ende auch nicht.

      Die Serie zeigt auch andere Ethnien im Zusammenhang mit terroristischen bzw. Spionage-Handlungen, z.B. Russen und Chinesen. Und selbst Amerikaner terrorisieren in der Serie andere Amerikaner. Es ist keineswegs so, dass Muslime als DIE Dauerterroristen in der Serie gelten. Außerdem lernen wir im Verlauf der Handlung selbst Muslime kennen, die sich aktiv gegen den Terror einsetzen.
      Aber wenn wir schon beim Thema Stereotype sind: Es ist ja nun wirklich nicht so, als gäbe es zu wenige Präzedenzfälle für Terrorismus von Tätern aus islamisch geprägten Ländern. Auffällig wäre es meines Erachtens eher gewesen, wenn in keiner Staffel jemals islamistisch-fundamentalistischer Terror thematisiert worden wäre. Für Überkompensation besteht kein Bedarf. Die Serie entstand schließlich direkt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 – und wer daran beteiligt war, darüber müssen wir wohl nicht diskutieren. Ich finde eigentlich, die Serie findet einen guten Mittelweg, den Finger auf viele Wunden gleichzeitig zu legen.

      Deinem letzten Absatz kann ich nicht viel hinzufügen, der Kritik würde ich mich grundsätzlich anschließen. Wobei Korruption, Inkompetenz und Böswilligkeit immer irgendwo mit drin sein wird, wenn auch nicht systematisch. Allein hinsichtlich der Snowden-Enthüllungen würde ich Geheimdiensten heute alles zutrauen. Dass diese in jedem Fall eine Agenda haben, ist wohl nicht von der Hand zu weisen.

      Schade, dass du scheinbar nichts Positives an der Serie gefunden hast, oder nicht willens bist, das anzusprechen.

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