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Es ist ein absolut denkwürdiger Moment für Science-Fiction-Fans. Heute ist einer dieser Momente, die verloren sein werden in der Zeit, so wie Tränen im Regen. Heute ist Der Blade Runner-Tag, der 20. November 2019. Im Film „Blade Runner“ von Ridley Scott aus dem Jahr 1982, mit Harrison Ford, Rutger Hauer und Sean Young, wird der Polizist Rick Deckard auf die Jagd nach vier gefährlichen, künstlichen Menschen geschickt, die er allesamt in den Ruhestand schicken soll. Nur 37 Jahre nach Entstehung des Films hat uns dessen fiktive Zukunft endlich eingeholt. Das Original spricht zwar nur vom November 2019, doch im Nachfolger „Blade Runner 2049“ wird das Datum der ersten Begegnung von Deckard mit der Replikantin Rachael bei der Tyrell Corporation präzisiert. Es ist also der heutige Mittwoch. Blade Runner ist JETZT.

Links „Blade Runner“ (1982), rechts „Blade Runner 2049“ (2017)

Im stets verregneten, düsteren Los Angeles des Novembers 2019 gibt es Schwebewagen, gewaltige Hightech-Pyramiden, feuerspeiende Schornsteine, und animierte Reklame-Displays so hoch wie Wolkenkratzer. Vielleicht war die Zukunftsvision des Films etwas zu optimistisch, aber das lässt uns an seiner Qualität nicht zweifeln. Blade Runner basiert auf dem Buch „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ von Philip K. Dick aus dem Jahr 1968. Wer dem Film vorhalten möchte, dass er etwas aus der Zeit gefallen sei, der sollte mit dem Buch gar nicht erst anfangen. Ridley Scott hat aus dem ursprünglichen Text rausgeholt, was irgendwie sinnvoll erschien und daraus etwas Beispielloses geschaffen.

Nicht einfach nur als Film, vielmehr als episches, preisgekröntes Meisterwerk der Filmgeschichte, bietet Blade Runner in meinen Augen Vollendung in Bild und Ton, mit einer Atmosphäre, die dichter kaum sein könnte. Der außergewöhnliche Film setzte atmosphärisch, visuell, stilistisch, tricktechnisch und sogar musikalisch vielleicht nicht unbedingt neue Maßstäbe, aber in jedem Fall mindestens neue Akzente. Allein die ersten Minuten der Einleitung werden Zweifler von der Qualität überzeugen. Der Regisseur und Special-Effects-Guru Douglas Trumbull hat für Ridley Scott seinerzeit eine lebende, atmende, finster-dystopische Stadt erschaffen, dunkel wie die Nacht und gleichzeitig hell erleuchtet, die zu den atemberaubenden, verträumten Synthesizer-Klängen von Vangelis die Zuschauer beinahe zur Ehrfurcht verleitet und sich ins Gedächtnis einbrennt. Blade Runner wurde zum Cyberpunk-Vorbild für viele modernere Werke, unter anderem „Ghost In The Shell“, „Das Fünfte Element“ und „Matrix“.

In Blade Runner klebt der Schmutz und der Müll auf den regenüberfluteten Straßen, die Strahlung hat weite Teile der Erde unbewohnbar gemacht, die meisten Tiere sind ausgestorben, die Armut ist allgegenwärtig und steht den zerlumpten Menschen ins Gesicht geschrieben. Wer es sich leisten konnte, hat die Erde in Richtung der reicheren Kolonien längst verlassen. Als starker Kontrast befinden wir uns trotz des Elends in einer Gesellschaft der Hochtechnologie. Videotelefone stehen an jeder Ecke, futuristische Autos fliegen kreuz und quer über der Stadt, Laser-Scanner sind quasi Standardausstattung in jedem noch so heruntergekommenen Laden. Die Tyrell Corporation ist durch die Herstellung von Replikanten (künstliche Menschen; Androiden im Buch) zu einem der mächtigsten Konzerne der Welt geworden. Replikanten werden als unfreie Arbeiter in den Kolonien eingesetzt und sind auf der Erde verboten. Die dunkle Welt von Blade Runner ist wunderschön und abgrundtief hässlich zugleich.

Zugegeben, als Kind verkannte ich die immense Qualität des Films, so wie Blade Runner auch vom Publikum und von den Kritikern zunächst weitgehend unterschätzt wurde. Heute gilt er unter Cineasten unbestritten als Kultfilm. Seit Jahren schmückt ein Nachdruck des Kinoplakats mein Wohnzimmer. Der Film wirft einige spannende philosophische Fragen auf, zum Beispiel, was das Menschsein eigentlich ausmacht, ob künstlich erschaffene Menschen versklavt werden dürfen, und was passiert, wenn etwas menschlicher als der Mensch ist. Doch darauf einzugehen, überlasse ich lieber den Experten, denn dafür bin ich sicher nicht qualifiziert genug. Meine Wertschätzung gilt insbesondere dem großartigen Soundtrack und dem „Neo-Noir“ Stil des Films und seiner Bedeutung für Hollywood.

Los Angeles, heute

Leider wird dieser besondere Tag überschattet vom kürzlichen Tod des brillanten niederländischen Charakterdarstellers Rutger Hauer, der den Replikanten Roy Batty im Film als eine seiner ersten und insgesamt bekanntesten Filmrollen spielte. Hauer verstarb bereits am 19. Juli 2019 und kann diesen Moment bedauerlicherweise nicht mehr mit uns erleben. Als kleine Anekdote hier der gern erwähnte Hinweis, dass er selbst die ikonische, finale „Tears in Rain“-Monologzeile komplett improvisiert hat. Ruhe in Frieden.

Wahrscheinlich hat mich die bedrückende aber gleichzeitig packende Cyberpunk-Stimmung im Los Angeles des Films nachhaltig in meinen Erwartungen geprägt, so dass mich ähnliche Projekte wie magisch anziehen. Eines dieser Projekte, das ich in diesem Beitrag unmöglich unerwähnt lassen kann, ist das Spiel „Cyberpunk 2077“ von CD Projekt Red, das im April 2020 erscheinen wird. Alle Einzelheiten des überwältigend ambitionierten Spiels zu beschreiben, wäre im Grunde eine komplette Artikelreihe wert, daher hier nur soviel: Näher an eine frei spielbare Rollenspiel-Version von Blade Runner werden Fans vielleicht niemals kommen. Man möge mir diesen kurzen Exkurs verzeihen.

Ich hoffe, ihr anderen Fans genießt den Blade Runner-Tag mindestens ebenso wie ich. Ich habe dieses historische Datum bereits in Vorbereitung zu diesem Artikel zum Anlass genommen, die literarische Vorlage erstmals, sowie die beiden Filme nochmals konzentriert zu betrachten. Und wer Blade Runner bisher noch gar nicht kannte, der möge an dieser Stelle bitte meiner Empfehlung folgen. Ein solches Versäumnis muss korrigiert werden; zumindest bei denjenigen, die Filme nicht einfach nur konsumieren, sondern sie gänzlich erfahren. Ich habe in dem Film jedenfalls Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet…

Ach, ich habe die letzten Monate so wenige Beiträge geschrieben, dass ich jetzt der Meinung bin, das kompensieren zu müssen, indem ich über echt uninteressante Dinge aus meinem Leben berichte. Aber vielleicht gibt es ja jemanden, der dieselben Gedanken und Probleme wie ich hat. Also dann, kopfüber in das nächste Blog-Thema. In der heutigen Folge: Was ich mir zuletzt angeschafft habe und mein Erfahrungsbericht dazu.

Ich bin ein Mensch, der am PC gerne sehr viele Fenster offen hat. Gleichzeitig! Damit ich alles im Blick haben kann. Das ist beispielsweise sinnvoll, wenn man ständig zwischen Instant Messenger, Dateibrowser, Webbrowser, E-Mail-Programm, Emulator, Texteditor, Entwicklungsumgebung und Grafikbearbeitungsprogramm hin- und herwechseln muss. Natürlich könnte ich auch in der Taskleiste immer umschalten, oder Alt+Tab bemühen (und das mache ich meistens auch so), aber es ist praktischer, wenn ich das erst gar nicht muss. Es ist eben viel komfortabler, wenn ich meine Arbeitsgeräte und Werkzeuge immer alle direkt griffbereit vor mir liegen habe, und nicht ständig in die untere Schublade greifen muss, um zwischen Stift und Schere zu wechseln.

Schon vor dreieinhalb Jahren habe ich mir privat erstmals eine Zwei-Monitor-Konfiguration aufgebaut, die mir völlig neue Möglichkeiten eröffnet hat. Damit kann man etwa mehrere Anwendungen auf verschiedene Monitore aufteilen, und selbst Vollbildanwendungen sind jetzt kein Grund mehr, nicht doch mehrere Programme im Blick zu behalten. Man könnte auf dem linken Monitor etwas im Vollbildmodus spielen, während auf dem rechten Monitor irgendeine Webseite mit hilfreichen Tipps geöffnet ist. Oder man könnte auf dem linken Monitor einen unglaublich wichtigen Artikel für einen bedeutenden Blog schreiben, während auf dem rechten Monitor gleichzeitig irgendein spannender Stream läuft. Und dann … öh … Oh, sorry, ich war gerade ein wenig abgelenkt. Naja, beim Arbeiten sollte man vielleicht doch besser für eine ablenkungsfreie Umgebung sorgen. Weniger ist da oft mehr. Aber in den meisten Fällen bin ich schon ganz glücklich damit, viel Desktopfläche zu haben.

Beim Thema Desktopfläche habe ich kürzlich wieder einen gewaltigen Sprung gemacht. Meine neueste technische Anschaffung ist ein Business-Monitor mit 28 Zoll Bilddiagonale, der den alten 27er nochmals leicht überbietet. Aber der wichtigste Punkt ist, dass es sich um einen UHD-Monitor mit der wahnwitzigen Auflösung von 3840×2160 handelt, ergo „4K“. Damit kann ich endlich 4K-Filmmaterial in nativer Auflösung bestaunen, ohne Skalierung. Mit dem neuen Monsterdisplay auf meinem Schreibtisch wurde dann leider mein alter, tapferer 24 Zoll-Monitor mit der 1920×1200-Auflösung in den Ruhestand geschickt. Neun Jahre lang hat das kleine Kerlchen alles mitgemacht, und selbst jetzt ist er noch gut in Form, obwohl er vor einigen Jahren auf einer Autofahrt einen dicken Kratzer auf der Mattscheibe abbekommen hat. Aber als Unterwegs-Monitor für kleine LAN-Partys bleibt er mir noch erhalten, denn dann spare ich mir das viele Ab- und Wiederaufbauen meiner Monitore.

Wo war ich? Achja… Wie ist das Leben mit so einer exorbitant hohen Desktopauflösung? Auf der einen Seite schon echt klasse, weil man damit wirklich viel Raum für alle seine Fenster hat. Man muss bedenken, der Monitor hat genug Platz für vier Full-HD-Videos, in jeder Ecke eins. Auf der anderen Seite ist es jedoch nicht immer ganz einfach. Ich sollte zumindest kurz auf den größten Nachteil eingehen: Es ist alles verdammt klein. Ich schätze mal, ein 28 Zoll-Monitor ist wirklich die absolute Untergrenze, ab der 4K funktioniert. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mit den Augen näher zum Bildschirm gehe, um kleine Texte entziffern zu können. Man gewöhnt sich aber recht schnell an die Mini-Bildschirmelemente, muss beim Klicken ein wenig besser zielen und auch mehr mit der Maus rudern, vor allem wenn man von der linken Kante des linken Monitors bis zur rechten Kante des rechten Monitors fahren will. Das sind bei mir zusammen immerhin 6400 Pixel Breite.

Aber das ist alles noch kein großes Problem. Bislang normalgroße Schriften sind neuerdings eben kleine Schriften. Und bei den kleinen Schriften muss man ab jetzt genauer hingucken. Natürlich kann man das Betriebssystem auch so einstellen, dass es alle Fensterelemente, Icons und Texte automatisch hochskaliert – aber wozu dann überhaupt 4K? Dann hätte ich einfach bei meinem alten Monitor bleiben können und noch eine Menge Geld gespart. Natürlich will ich den neu gewonnenen Platz auch nutzen, und nicht gleich dadurch wieder vergeuden, indem ich alles auf dem Bildschirm größer mache. Bilddateien, die mir noch vor 15 Jahren bequem als Windows-Wallpaper dienlich waren, sind mit dem neuen Monitor nur noch unwesentlich mehr als Thumbnails. Der einsame Browser im abgebildeten Screenshot ist übrigens schon geringfügig größer als Full-HD.

Meine größte Sorge vor meiner Anschaffung war ursprünglich: Packt meine Grafikkarte überhaupt 4K-Auflösung? Ein wenig Recherche in Internetforen und zu den Grafikkarten-Spezifikationen diverser älterer Modelle hat mir Zuversicht gegeben, und tatsächlich war meine Sorge eher unbegründet, denn in den allermeisten Fällen lautet die Antwort: Ja! 4K-Desktopauflösung ist für eine halbwegs moderne Grafikkarte selbst im Low-Budget-Bereich kein großes Kunststück, sogar Onboard-Grafikchips kriegen das längst mühelos hin. Meine Grafikkarte steuert auch gerne zwei Monitore mit 4K-Auflösung an, wenn man möchte. Einfach per HDMI, DVI oder DisplayPort anschließen und los gehts. Ob man damit Spiele in 4K-Auflösung spielen sollte, ist natürlich eine gänzlich andere Frage. In den allermeisten Fällen ist das weniger empfehlenswert, außer man besitzt eine teure Gaming-Grafikkarte. Aber kann man jedes Spiel immer auch in einer niedrigeren Auflösung rendern.

Wie sieht das denn mit tollem UHD-Filmmaterial aus? Kriegt man da wenigstens ordentlich was fürs Auge geboten? Ja und nein. Zum einen muss ich gestehen, dass ein 28 Zoll-Monitor wahrscheinlich nicht unbedingt ideal ist, um Filme in so hoher Auflösung qualitativ ausreichend zu beurteilen. Kurzgesagt, in schnellen Action-Sequenzen in denen sich relativ viel bewegt, hat Ultra-HD-Material praktisch keinen wahrnehmbaren Vorteil gegenüber Full-HD, schon gar nicht wenn man sich einfach nur auf den Film konzentriert. Seine größte Stärke spielt 4K z.B. bei Nahaufnahmen von Gesichtern aus, wenn man genug Zeit hat, sich die vielen winzigen Details anzusehen und darüber zu staunen. Aber das sind eigentlich Ausnahmen. In den meisten Fällen dürfte es Durchschnittsmenschen ohne ausgeprägtes Qualitätsempfinden oder Technikwissen schwerfallen, zu erkennen, ob sie gerade einen UHD-Film sehen oder nicht, zumal sehr viele UHD-Filme auf dem Markt entweder ohnehin Upscale-Mogelpackungen sind, oder ältere Filme generell mehr durch ultrawinzigen Filmgrain bestechen als durch echte, sichtbare, ultrahohe Bildqualität.

Für mich ist der erwartete Wow-Effekt leider ausgeblieben. Nicht, dass es ein Fehlkauf gewesen wäre, aber ein wenig mehr erwartet habe ich dann doch. Man könnte nun, wie gesagt, betonen, dass 28 Zoll keine geeignete Grundlage sind, um das richtig zu beurteilen, aber dafür sitze ich am Monitor eben auch sehr viel näher dran als am 50 Zoll Fernseher, den ich immer nur von der entfernten Couch im Blick habe. Im Prinzip sollte sich das also irgendwo ausgleichen. Aber es bleibt mir in jedem Fall ein Monitor mit einer gigantischen Desktopfläche, die ich mit Fenstern zuklatschen kann. Jetzt habe ich sogar soviel davon, dass ich die Hälfte davon als Werbefläche vermieten könnte. Oh Moment, das machen Webseiten ja schon lange so.

Kitschige Reise zur Selbsterkenntnis

nachtzugnachlissabonDer alleinstehende Gymnasiallehrer Raimund Gregorius (Jeremy Irons) lebt seit Jahren in dem traurigen Bewusstsein, dass er ein langweiliger Mensch ist, bis er auf dem Weg zu einer Unterrichtsstunde eine junge Frau davor bewahrt, von einer Brücke zu springen. Bevor er mehr über sie erfahren kann, läuft sie davon. In ihrer Manteltasche findet er ein geheimnisvolles portugiesisches Buch und eine Fahrkarte nach Lissabon. Kurzerhand entschließt er sich zu einer Reise. Aus dem Buch erfährt er die tragische Geschichte des Mediziners Amadeu, der in den 1970er Jahren, zur Zeit der autoritären Diktatur in Portugal für den Widerstand arbeitete. Raimund besucht in Lissabon Pater Bartolomeu (Christopher Lee), Amadeus Schwester Adriana (Charlotte Rampling) und seinen ehemaligen besten Freund Jorge (Bruno Ganz), mit deren Hilfe er der Entstehung des äußerst seltenen Buches auf den Grund gehen will. Während er versucht, die letzten offenen Fragen in der dunklen Vergangenheit von Amadeu und seinen Freunden aufzuklären, muss er sich gleichzeitig entscheiden, wo sein Platz im Leben sein soll. Dabei will ihm die Optikerin Mariana (Martina Gedeck) helfen.

Der starkino-erprobte dänische Filmemacher Bille August führte bei der Bestsellerverfilmung „Nachtzug nach Lissabon“ von 2013 Regie. In dem Film nach dem gleichnamigen Roman von Pascal Mercier findet ein einsamer Lehrer in den geschriebenen Worten des portugiesischen Arztes Amadeu die nötige Kraft, um die Ketten seines betäubenden langweiligen Alltags, dem er sich vor langer Zeit ergeben hat, zu sprengen. Auf seiner erkenntnisreichen Reise durch das Leben des verstorbenen Verfassers hilft er bei der Aufarbeitung einer längst vergessenen Geschichte über Politik, Freundschaft, Liebe und Eifersucht, und findet dabei endlich den Weg zu sich selbst. Eine zufällige Begegnung auf einer Brücke veranlasst Raimund, die Zügel seines eigenen Schicksals selbst in die Hand zu nehmen, und wieder zu leben, statt nur gelebt zu werden.

Die schlechte Nachricht vorweg: „Nachtzug nach Lissabon“ trieft geradezu vor Kitsch, und das Motiv der Hauptfigur scheint besonders am Anfang mindestens so undurchsichtig wie unlogisch. Nicht jeden werden die tiefsinnigen Buchzitate, die gelegentlich in den Film eingestreut werden, in philosophische Ekstase versetzen, vielleicht sogar eher abschrecken. Trotz allem sollte man unbedingt einmal versuchen, durch den entsetzlich rührseligen, alles romantisierenden Schleier des Films zu blicken, denn dahinter verbirgt sich ein bewegendes Drama vor einem historischen Hintergrund.

Ohne Frage wurden Jeremy Irons, Christopher Lee und Bruno Ganz auch wegen ihrer Bekanntheit gecastet, aber womöglich schadet diese Besetzung dem Film mehr als sie nützt: Jeremy Irons ist Hauptdarsteller in einer Geschichte, in der er über weite Strecken keine direkte Rolle spielt, und Christopher Lee und Bruno Ganz haben nur wenige Szenen, die von ihrer Erfahrung profitieren könnten. So lenken die berühmten Gesichter eher von der Handlung ab, anstatt ihr den nötigen Kontrast zu verleihen.

Fazit: Mit „Nachtzug nach Lissabon“ wurde ein betont melancholischer Film über eine fiktive Begebenheit in einem historischen Kontext im politisch vielleicht problematischsten Kapitel Portugals geschaffen, über den steinigen Weg zur Selbsterkenntnis, ein Film, der sich in seiner erzwungenen, mitunter künstlichen Emotionalität und seiner konfusen Logik leider zu stark gehen lässt. Im Kern aber ist es ein bewegender, wenig alltäglicher Film, der vor allem Hobbyphilosophen und Herbstromantiker ansprechen könnte.

Nehmt euch ein Zimmer

seelenDie Menschheit hat ein Problem: Außerirdische übernehmen nach und nach die Körper aller Menschen, und auf die letzten Überlebenden wird – unter der Leitung der „Sucherin“ (Diane Kruger) – systematisch Jagd gemacht. Eine kleine Gruppe von Widerstandskämpfern, zu der auch die junge Melanie (Saoirse Ronan) und ihr Freund Jared (Max Irons) gehören, will sich die Erde zurückerobern. Bei dem Versuch ihren kleinen Bruder vor einer Patrouille zu schützen, wird Melanie geschnappt und ihr Körper von einem außerirdischen Wesen, dem „Wanderer“, beseelt. Mit seiner Hilfe sollen ihre Gedanken ausgehorcht und so das Versteck der letzten Menschen gefunden werden, doch Melanie, jetzt Gefangene in ihrem eigenen Kopf, gelingt es, den Wanderer zur Flucht zu überreden. In Gestalt von Melanie wird der Wanderer im Versteck ihres Onkels Jeb (William Hurt) misstrauisch empfangen. Weil viele den Verlust von Melanie bedauern, bauen sie eine Freundschaft zu „Wanda“, wie sie nun genannt wird, auf. Jared fühlt sich betrogen als Wanda und der verwegene Ian (Jake Abel) schließlich Gefühle füreinander entwickeln. Doch das sind Nebensächlichkeiten als die Sucherin das Versteck aufspürt.

Die Idee, dass uns Außerirdische besuchen und in Gestalt unserer Mitmenschen auf der Erde wandeln, ist in Kreisen der Filmemacher so neu freilich nicht. In dem Kult-Horrorstreifen „Die Körperfresser kommen“ wird die Thematik als prominentes Beispiel fantastisch in Szene gesetzt. Der Regisseur Andrew Niccol versucht sich mit der Verfilmung des von der Vampirschmachtreihe „Twilight“ bekannten Bestsellerautorin Stephenie Meyer geschriebenen „Seelen“ an einer cineastischen Vermischung besagten Horrorszenarios mit der irrationalen, hormongesteuerten Welt der Teenagerliebe – also genau dasselbe (Erfolgs-)Konzept wie schon bei Twilight. Anstatt dem Vampirfilm-Genre ein ums andere Mal mit Begeisterung die spitzen Zähne abzufeilen, wird hier zur Abwechslung Liebe zwischen Menschen und Außerirdischen propagiert.

Elementarer Baustein der Handlung ist Melanies Schizophrenie, die eine gewisse Vielschichtigkeit und einen nervenaufreibenden Machtkampf der beiden Identitäten andeutet, sich aber schon nach kurzer Zeit darauf beschränkt, in welchen Jungen Melanie bzw. Wanda nun eigentlich verliebt sein darf. Ihr innerer Widerstand gegen den Eindringling resultiert zwar in einer Vielzahl an durchaus interessanten Mono-/Dialogen, doch in vielen Szenen gehen mir ihre durchdringenden Zwischenrufe aus dem Off, die über ein „Lass das!“ oder „Hör auf damit!“ selten hinausgehen, eher auf die Nerven. Immerhin begibt sich der Film in philosophische Tiefsinnigkeit über die destruktive Natur des Menschen und – angesichts der Tatsache, dass es um die Spaltung bzw. Verbindung von Körper und Geist geht – die Frage, was denn eine Person grundsätzlich ausmacht. Dies gelingt ausgesprochen gut.

Für die jungen Hauptcharaktere aus dem Film scheint es nur wenig Romantischeres als eine Alien-Invasion auf der Erde zu geben, denn anders kann man sich kaum erklären, wieso Melanie/Wanda ständig dabei ist, mit den Herren der Schöpfung herumzuknutschen. Das sind wohl die Stellen, an denen man sich kurz selbst daran erinnern müsste, dass „Seelen“ auch ein Liebesfilm ist, denn er kann das mit seinem Setting recht gut kaschieren, selbst wenn das nicht seine Absicht ist. Die sterile emotionslose Gesellschaft der menschgewordenen Außerirdischen entführt schnell die Aufmerksamkeit des Zuschauers.

Saoirse Ronan, bekannt unter anderem aus Peter Jacksons Drama „In meinem Himmel“ und dem Thriller „Hanna“, blüht in der Rolle der roboterhaften Wanda verständlicherweise nicht immer auf, dafür besteht andererseits auch keine Gefahr, dass sie die Figur überspielt. Ihre durchaus sehenswerte Leistung muss sich hier mit einem William Hurt und einer Diane Kruger vergleichen lassen, die viel von ihrem Handwerk verstehen und das auch so rüberbringen, was nur zum Vorteil von „Seelen“ ist. Der Soundtrack von Antonio Pinto gehört nicht zu seinen besten, übertrifft aber noch bei weitem die Klasse, die für einen solchen Film nötig ist.

Fazit: Nicht überall wo Stephenie Meyer draufsteht, sind auch Vampire drin: „Seelen“ ist eine gutgemachte, einigermaßen glaubwürdige, wenn auch reichlich pubertäre Genre-Mixtur nach bewährtem Rezept. Der Schwenk von bekanntem Fantasy-Terrain hin zu typischer Science-Fiction ist kein Reinfall und auch keine Offenbarung, aber es ist schön zu sehen, dass man sich gelegentlich auch noch Experimente zutraut.

Nette Kinderbuchverfilmung mit unheimlicher Puppe

legendevonpinocchioAls dem einsamen Puppenschnitzer Gepetto (Martin Landau) im Wald scheinbar zufällig ein Holzklotz vor die Füße fällt, beschließt er, daraus eine neue Holzpuppe zu schnitzen. Pinocchio (Jonathan Taylor Thomas), wie er die liebevoll gefertigte Marionette tauft, wird kurz darauf lebendig, und stellt das Leben des überraschten Gepetto gehörig auf den Kopf. Angetrieben von seiner schrecklichen Neugier und dem Wunsch, ein richtiger Junge zu werden, bringt Pinocchio seinen Vater in haarsträubende Situationen, und schließlich sogar vor die Anklagebank. Um einer langen Gefängnisstrafe zu entgehen, überlässt Gepetto dem windigen Geschäftsmann Lorenzini (Udo Kier) seine einzigartige Holzpuppe, der mit Hilfe dieser neuen Attraktion das große Geld machen will. Gepettos Jugendliebe Leona (Geneviève Bujold) kann ihn davon überzeugen, gemeinsam nach Pinocchio zu suchen. Dieser treibt sich inzwischen in einem merkwürdigen Vergnügungspark herum…

Steve Barron führte bei dieser Realverfilmung von 1996 Regie. Das Kinderbuch des italienischen Schriftstellers Carlo Collodi erlangte erst mit Hilfe des zweiten abendfüllenden Zeichentrick-Kinofilms der Walt Disney Pictures breite internationale Berühmtheit. Schon mindestens drei Generationen dürfte Pinocchio bekannt sein als verzauberte Marionette, die keine Fäden hat und die lieber ein richtiger Junge als ein Holzspielzeug wäre. Und dafür, dass seine Nase länger wird, wenn er lügt. Barrons Inszenierung orientiert sich stärker an der übersichtlicheren, etwas friedlicheren Disney-Fassung als am Buch. Um einen schwachen Versuch von Romantik in den Film einzubringen, wurde die Figur der Leona entworfen. Gepetto, der sich unbedingt einen Sohn wünscht, und Leona nehmen somit gemeinsam die Elternrolle für Pinocchio ein.

Jim Hensons Name gilt in der Branche üblicherweise als Gütesiegel für hochwertige Puppeneffekte, doch muss man Pinocchio vielleicht einfach als Ausnahme von der Regel betrachten: Das einzig Überzeugende an ihm ist die Mimik, allerdings wirkt das auf Erwachsene weniger süß als mehr unheimlich. Pinocchios betont menschliche Erscheinung leidet ein wenig am „Uncanny Valley“-Effekt. Sein Aussehen und seine Bewegungen wirken nicht künstlich genug für die Augsburger Puppenkiste, und nicht menschlich genug für ein Kind. Die Kombination aus Stop-Motion-, Bluebox- und animatronischen Effekten wirkt nicht billig, aber andererseits auch nicht allzu beeindruckend. Computergrafik wurde hauptsächlich für die animierte Grille Pepe verwendet. Jene Szenen entsprechen zwar irgendwo dem Stand der Technik von 1996, wirken aber dennoch sehr aufgesetzt und entbehrlich, schon da Pinocchio mit der Grille nicht richtig interagiert.

Schauspielveteran Martin Landau holt wahrscheinlich das Bestmögliche aus seiner Rolle heraus, und so sind Gepetto und Lorenzini die beiden stärksten Charaktere des Films. In die Rolle des letzteren schlüpft der bekannte B-Movie-Kultdarsteller Udo Kier, der mit seiner exzentrischen undurchsichtigen Ausstrahlung eigentlich dafür prädestiniert ist, als Bösewicht gecastet zu werden. Seine beiden Handlanger, ähnlich wie im Buch als Fuchs und Katze dargestellt, werden gespielt von Hollywood-Hampelmann Rob Schneider und Bebe Neuwirth, und bringen der Besetzung entsprechend eine eher alberne Komponente in den Film ein. Geneviève Bujold hat nur einige wenige Szenen, die kaum der Rede wert sind. Musikalisch bekommt der Film mit Stevie Wonder und Brian May etwas prominente Unterstützung. Leider kommen die Songs, ebenso wie der Score von Rachel Portman im Film sehr wenig zur Geltung.

Fazit: Steve Barrons Pinocchio ist ein fast rücksichtsloser Frechdachs, den man womöglich eine Spur kindgerechter hätte gestalten sollen. Einige Schwächen und Logikschnitzer muss man dem Drehbuch ebenso verzeihen, wie etwa die Szene, in der Pinocchio vom Wal verschluckt wird, und seinen Ziehvater absurderweise genau in diesem Wal vermutet. Bleibt nur zu sagen, dass „Die Legende von Pinocchio“ vielleicht nicht gar so zauberhaft wie sein Disney-Pendant ist, aber allemal ein netter, leicht verdaulicher Kinderfilm, der ohne viel Spannung auskommt.