Heute vor exakt einem Jahr ereignete sich ein sonderbarer Vorfall, bei dem ich beinahe von einer selbsternannten Parkplatzpolizei – nämlich der schmierigen Firma Park & Control – abgezockt worden wäre. Immer häufiger schließen Supermarktbetreiber in ganz Deutschland windige Verträge mit Parkplatz-Wachfirmen ab, die dann mit Personal nebst Kontrollfahrzeugen die Supermarktparkplätze bewachen und „Strafzettel“ ausstellen, wenn man keine Parkscheibe im Auto hinterlässt. Oft genügt es – entgegen offizieller Aussagen – wenn man sein Auto nur fünf Minuten dort abstellt um eine Kleinigkeit zu besorgen, schon hängt ein gelber Zettel unter den Scheibenwischern.

Eine mir bekannte Person, genauer gesagt der Freund eines Freundes vom Onkel der Putzfrau eines Nachbarn, der mir zufälligerweise sehr ähnlich sieht, und gerne anonym bleiben möchte, besuchte im März 2018 mit meinem Auto eine Rewe-Filiale, bei der er schon desöfteren eingekauft hatte, der letzte Besuch mochte aber schon einige Monate zurückgelegen haben. Er wollte nur schnell ein paar Snacks holen, der Einkauf war wie immer nach kaum fünf Minuten erledigt. Wieder beim Auto angelangt, entdeckte er den gelben Zettel auf der Scheibe, und ein Prospekt besagter Firma. Ein „Parkverstoß“ wurde festgestellt, da er unerlaubt auf Privatgelände geparkt hatte. Als Vertragsstrafe würden jetzt leider 30 EUR fällig. Also mal eben der sechsfache Betrag von dem, den er soeben noch an der Kasse bezahlt hatte. Dazu die genaue Uhrzeit, einige technische Daten über mein Fahrzeug, von dem auch ein Beweisfoto gemacht wurde. Zuletzt die Zahlungsmodalitäten für die Zahlung innerhalb einer Frist von 10 Tagen bitteschön.

Von der Person, die den Zettel dort hinterlassen hatte, fehlte jede Spur. Nun begann sich der Bekannte zu diesem Zeitpunkt auf dem Parkplatz umzusehen. Am Eingang zur Filiale stand jedenfalls nirgends eine Warnung über die sogenannte „Parkraumüberwachung“. Auch gab es bei der Einfahrt zum Parkplatz keine deutlichen, markanten (idealerweise roten) Warnschilder, die auf Parkkontrollen hinwiesen. Jedoch entdeckte er nun auf dem Parkplatz tatsächlich neue Hinweisschilder – in etwa 3 Metern Höhe. Dort, wo man kaum täglich hinschauen wird, geschweige denn kleine Hinweise lesen, schon gar nicht, wenn man nicht erwarten muss, dass sich an der Beschilderung am Parkplatz plötzlich etwas ändern würde. Üblicherweise springt man aus dem Auto direkt in die Filiale, so wie schon gefühlte 100 Male davor. Aber erst wenn man sich aktiv und ohne Scheuklappen nach Schildern umsieht, die man vorher nie gesehen hat, findet man sie auch.

Als legitimer Kunde von Rewe sah mein Bekannter auch keinen Grund, die absurde Strafe zu zahlen, und so ließen wir die Frist bedenkenlos verstreichen. Direkt im Anschluss erhielt ich Post von der Abzockerfirma. Von „gut sichtbaren Schildern“ war darin die Rede. Von Beweisbildern bzw. „Nachweisen“ zum Vorwurf, die im Internet für mich einsehbar seien. Für die Halterermittlung warfen sie zusätzlich zur Forderung nochmal eine Mahngebühr von 6,50 Euro drauf. Das beste an dem Brief ist der FAQ-Teil in deutsch und englisch, in dem sie klarstellten, dass es hier juristisch keine Ausreden gibt, dass alles rechtlich einwandfrei und unstrittig ist, die Beweislage eindeutig, und die Schuld des Halters nicht in Zweifel gezogen werden kann. Sofern das Fahrzeug von mehreren Personen gefahren wird, so liege die Darlegungs- und Beweispflicht angeblich beim Halter, sonst hafte er pauschal.

Auch die neu gestellte Frist ließ ich verstreichen. Ende April flatterte mir Post von einer weiteren Abzockerfirma ins Haus, nämlich vom Inkassounternehmen Tesch Inkasso, die beauftragt wurde, die Forderung einzutreiben. Dafür schlugen sie wiederum 20 Euro drauf, weshalb die Forderung inzwischen stolze 56,50 Euro betrug. Dazu gab es jede Menge Rechtsgeschwurbel zu lesen, und der Hinweis, dass sie Inkassovollmacht besäßen, und ich mir „weitere Kosten und Maßnahmen“ ersparen könnte, wenn ich sofort überweise, sonst würden sie weitere Schritte einleiten. Freundlicherweise lag ein Überweisungsschein mit der Forderung bereits bei. Wer hätte bei soviel Entgegenkommen noch nein sagen können?

Als ich dann sogar diese Frist verstreichen ließ, lag Mitte Mai der nächste Brief im Briefkasten. Wieder die Inkassofirma, die mich „der guten Ordnung halber“ darauf aufmerksam machte, dass sie bald „alle Unterlagen zur Einleitung gerichtlicher Maßnahmen an unsere Vertragsanwälte übergeben“ würde. Aber ich sollte die Sache doch „außergerichtlich und einvernehmlich“ lösen wollen, denn sonst „wird die Forderung auf gerichtlichem Wege tituliert und mittels anschließender Zwangsvollstreckung beigetrieben“. Das würde ich ja schon „aufgrund der weiteren, nicht unerheblichen Kosten, welche zu Ihren Lasten gehen“ nicht wollen. Au weia! Wüste Drohungen! Jetzt musste ich also ganz schnell handeln.

Ganz schnell ließ ich wiederum die neue Frist verstreichen. Und so meldete sich Ende Mai ein netter Rechtsanwalt postalisch bei mir, nämlich der Thomas aus Frechen. Der freche Thomas wies mich „unter Versicherung anwaltlicher Vollmacht“ erneut auf die Forderung der Firma Park & Control hin, da ich trotz der „gütlichen Einigungsversuche“ bislang keine Zahlung geleistet hatte. Interessanterweise wurden mir keine Anwaltskosten auf die Forderung aufaddiert, weshalb es bei den 56,50 Euro bleiben sollte. Aber es würde bald ein „gerichtliches Mahnverfahren gegen Sie eingeleitet werden“. Und „mit der Beantragung des Mahnbescheides bei Gericht fallen weitere, nicht unerhebliche Mehrkosten an“, die ich jetzt gerade noch vermeiden könnte, wenn ich dem frechen Thomas rechtzeitig mein Geld überweise. Denn „sollte die Forderung rechtskräftig tituliert werden, kann ein Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung beauftragt und ggf. eine Kontopfändung bei Ihrer Bank oder eine Lohn- und Gehaltspfändung bei Ihrem Arbeitgeber durchgeführt werden.“. Bemerkenswert finde ich, wie mir solche Subjekte „mit freundlichen Grüßen“ die Zwangspfändung meines Kontos und meines Lohns in ihren Schreiben androhen, und ich mich dabei gleichzeitig „sehr geehrt“ fühlen sollte. Briefkonventionen in Deutschland haben schon etwas inhärent sehr Verlogenes an sich, oder?

Mit der gruseligen Drohung des Rechtsanwalts Thomas hatte ich nun offenbar keine andere Wahl, und so entschloss ich mich schließlich doch noch dazu, auch die neue Frist wiederum verstreichen zu lassen. Von mir würden diese Abzocker kein Geld sehen. Soll der freche Thomas nur kommen, mein Körper war bereit. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich allerdings längst selbst im Netz informiert. Dort wird Betroffenen dringend geraten, nicht zu zahlen, und auf die Schreiben dieser Firmen nicht zu antworten, denn anders als diese es in ihren lästigen Drohbriefen implizieren, ist die Rechtslage alles andere als eindeutig. Eine pauschale Halterhaftung ist völliger Unfug, genauso wie die angebliche Beweispflicht des Halters. Park & Control lügt die Adressaten ganz dreist und bewusst an, um eine Einschüchterung und somit Zahlungsbereitschaft zu erreichen. Ungestraft.

Und damit ist auch die bei Bagatellverstößen übrigens sehr umstrittene Halterermittlung wertlos. Wenn der Fahrzeughalter einfach bestreitet, den Parkverstoß begangen zu haben, hat die Firma vor Gericht bereits ganz schlechte Karten. Rechtlich gesehen muss ich Dokumente, die mir von verwirrten Personen unter die Scheibenwischer geklemmt werden, nicht einmal als zugestellt betrachten, da diese dafür nicht vorgesehen sind. Wenn ich also von der dubiosen Strafe nichts weiß, kann ich diese natürlich auch nicht begleichen. Außerdem wird die Beschilderung auf den Parkplätzen bewusst so gestaltet, dass sie leicht übersehen werden kann, wenn man die Vorgehensweise nicht bereits kennt. Die Schrift auf den Schildern wird ebenfalls kleiner gehalten als nötig. Beispiele für diese Irreführung gibt es viele, deutschlandweit. Die Kulanzzeit, die eigentlich 20 bis 30 Minuten betragen sollte, wird ebenfalls absichtlich ignoriert. Der Grund ist simpel: Der Betreiber des jeweiligen Supermarktes selbst bezahlt Park & Control nichts. Es handelt sich um gewinnstrebende Parkplatzbewacher, die allein davon profitieren wenn mehr Leute in ihre Falle tappen. Je mehr Supermarktbesucher alles richtig machen, desto weniger verdient die Firma. Und als Besucher gehe ich erst einmal davon aus, dass ich als zahlender Kunde auf dem Parkplatz willkommen bin, und nicht während des Einkaufens abgezockt werde.

Die geforderte Vertragsstrafe von anfänglich 30 Euro ist übrigens ebenfalls rechtswidrig, da sie viel höher liegt als vergleichbare Strafgebühren der öffentlichen Parkraumüberwachung. Erfahrungsgemäß lassen die meisten Betroffenen sich von den Strafzetteln jedoch leicht erschrecken, so dass diese die Strafe oftmals noch am selben Tag bezahlen. Wegen eines 5 Euro-Einkaufs für Snacks wollten sie zuletzt fast 60 Euro von mir haben. Dafür werde ich diese Filiale definitiv nie wieder betreten, und sie werden an mir auch nichts mehr verdienen. Ich weiß aus verlässlicher Quelle, und auch direkt von anderen Betroffenen, dass nicht wenige das genauso handhaben wie ich, und sie die Filialen, die solche Maßnahmen gegen ihre eigene Kundschaft durchsetzen, komplett boykottieren. Insofern würde es mich wundern, wenn der Filialbetreiber dabei am Ende des Tages Gewinn macht.

Seit Juni habe ich nun keine Schreiben mehr erhalten. Offenbar haben sie gemerkt, dass ich mich nicht einschüchtern lasse und bei mir nichts zu holen ist, und dass sie eben ein Gerichtsverfahren wegen 56,50 EUR gegen mich einleiten müssten. Und das bei zweifelhaften Erfolgschancen. Im Gegenteil, wurden Klagen der Firma Park & Control bereits von Gerichten abgewiesen.

Meine Damen und Herren, so ist Deutschland. Man wird belogen, betrogen, und bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten mit schmutzigen Tricks um sein Geld erleichtert. „Alles rechtlich einwandfrei“ verkündete der Supermarktbetreiber sogar öffentlich zu seiner neuen Parkraumüberwachung. Da ist überhaupt nichts einwandfrei, das ist eine ganz schöne Frechheit, mit welchen Mitteln da gearbeitet wird.

Weiterführende Links:

https://www.kanzlei-hollweck.de/ratgeber/parkplatzkontrolle/

http://www.takkiwrites.com/30-euro-fuer-parkverstoss-ist-das-ueberhaupt-zulaessig/

http://www.verkehrsrecht.gfu.com/2016/01/keine-halterhaftung-fuer-vertragsstrafe-bei-unberechtigtem-parken-auf-privatgelaende/

https://www.test.de/Privatparkplaetze-Duerfen-Supermaerkte-Knoellchen-an-Parksuender-verteilen-5446920-0/

Aus aktuellem Anlass ein Kommentar meinerseits zu einem Thema, das zuletzt durch die Medien geisterte und mich leider indirekt persönlich betrifft. Erst vor wenigen Monaten entschloss ich mich, mein Vertrauen einem deutschen E-Mail-Dienstleister zu schenken, der seinen Kunden für einen geringen monatlichen Obolus unter anderem Anonymität, Verschlüsselung, Sicherheit, Werbefreiheit und vor allem Datenschutz versprach: Posteo

Jüngst wurde ausgerechnet Posteo durch eine schwachsinnige und gefährliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nebst Geldstrafe dazu verurteilt, seine eigenen Kunden direkt zu überwachen, sobald deutsche Strafverfolgungsbehörden das verlangen. Die deutsche Unrechtsprechung zwingt also selbst IT-Dienstleister, die sich ganz konkret und vehement gegen jegliche Überwachung positionieren, auf schizophrene Weise zu aktiver Unterstützung dabei, die eigenen Kunden im Hintergrund auszuspionieren, ihre IP-Adressen aufzuzeichnen und alle diese Daten auszuhändigen. Und sie dürfen das alles den betroffenen Kunden noch nicht einmal mitteilen, werden also zusätzlich zur Verschwiegenheit und Heimlichtuerei verpflichtet.

Das sind Kunden wie ich, die Geld für IT-Dienstleistungen bezahlen, und wie versprochen im Gegenzug echte Anonymität und Datenschutz erwarten, dies aber möglicherweise gar nicht bekommen. Sie werden also streng genommen betrogen. Und Posteo kann dann noch nicht einmal etwas dafür, denn sie werden in ihren eigentlichen Absichten von höchster gerichtlicher Stelle sabotiert. Posteo hat juristisch alles getan, um diesen katastrophalen Fall abzuwenden, doch am Ende gewinnt die Überwachungsgeilheit deutscher Behörden, die sogar falsche Verfassungskonformität bescheinigt bekommt von senilen, konservativen Richtern, die die Tragweite ihrer technikfremden, fortschrittsfeindlichen Fehlentscheidungen nicht im Ansatz verstehen. Mit verbissener Konsequenz wird der von der Regierung vor Jahren eingeschlagene Holzweg zur Überwachung der Bürger fortgesetzt und juristisch immer mehr ausgeweitet und weiter legitimiert. Und selbst wer aussteigen will, sich dem Trend widersetzen will, wird von allen Gerichten per existenzbedrohender Geldstrafen wieder auf Linie gezwungen.

Es reicht offenbar nicht, dass alle Internet- und Mobilfunkanbieter als verlängerter Arm des Gesetzes längst zur Mithilfe und Datenübergabe selbst in Bagatellfällen verpflichtet sind, nun werden auch kleinere E-Mail-Anbieter in die Knie gezwungen und zur Obrigkeitshörigkeit verdonnert. Es ist damit de facto per Gesetz unzulässig, einen IT-Dienst anzubieten, der seinen Kunden Anonymität gewährt. Was bedeutet das folglich? Deutsche Unternehmen sind für Kunden daher grundsätzlich nicht vertrauenswürdig; können sie gar nicht sein, wenn sie ihren Kunden niemals garantieren können, dass Behörden nicht jederzeit Zugriff auf ihre Daten erlangen dürfen. Schlimmer noch, ich darf nicht einmal erfahren, wenn meine Daten an irgendjemanden ohne mein Wissen und ohne meine Genehmigung ausgehändigt wurden.

Posteo verdient meinen Respekt dafür, dass sie trotz aller Widrigkeiten versucht haben, sich dagegen zu wehren. Aber diesen Kampf konnten sie nur verlieren, denn hier sitzen längst die stolzen Architekten des Überwachungsstaats am Hebel. Und nun werden sie keine andere Wahl haben, als eine teure technische Vorrichtung zur Protokollierung der Zugriffe und Speicherung der IP-Adressen ihrer Kunden installieren zu müssen, und das einzig zum Zweck der Mithilfe zur Strafverfolgung. Denn falls mal wieder die Polizei anklopft und dumme Fragen stellt, dürfen sie sich in Zukunft nicht mehr auf technische Unmöglichkeit berufen, dürfen sich nicht mehr weigern, jemanden zu überwachen und möglicherweise ans Messer zu liefern. Sie müssen eigenes Kapital aufwenden, um dafür Sorge zu tragen, allen behördlichen Spionageanfragen problemlos nachzukommen.

Aus meiner Sicht eine absolute Schweinerei, dass so etwas hier möglich ist. Ein schändliches Urteil, das nicht hätte gefällt werden dürfen. Anonymität im Netz ist heutzutage sehr selten, wertvoll und in jeder Hinsicht schützenswert. Es ist bereits schwer genug, jemanden zu finden, der sich kompromisslosem Datenschutz verschrieben hat und wirklich im Sinne seiner Kunden handelt. Aber wenn selbst diese zahlenmäßig geringen Bemühungen von Behörden und Gerichten gemeinsam torpediert werden, sterben diese Werte endgültig aus. Für mich bedeutet das, dass ich mich von Posteo mittelfristig leider wieder trennen muss, um mich bei der Konkurrenz im Ausland umzusehen, die vor dem Zugriff deutscher Bürokraten möglicherweise etwas besser geschützt ist.

Zum Jahreswechsel wird es nicht allein das alte Jahr sein, das mich verlässt, auch von einem ziemlich alten Wegbegleiter werde ich mich für immer trennen müssen. Ja, es war eine schöne Zeit. Wir beide haben vieles erlebt. Lange habe ich meinem ersten richtigen und eigentlich bis heute einzigen Instant Messenger die Treue gehalten. Viel länger als die meisten Personen auf meiner Kontaktliste, die zu ihren besten Zeiten weit mehr als 200 Einträge enthielt. Meine letzten Kontakte auf dem sinkenden Schiff haben sich irgendwann zwischen 2014 und 2018 verabschiedet, aber der Löwenanteil ging bereits lange vorher. In den letzten Monaten waren oft nur noch zwei Personen gleichzeitig online. Doch nun scheint es endgültig vorbei zu sein, jedenfalls für mich, und das will schon einiges heißen.

Mein geliebter ICQ-Account ist gestorben, oder genauer gesagt, wurde zwangsweise eingeschläfert. Die Ankündigung ging bereits vorgestern durch diverse Tech-Medienportale: Ein Protokollwechsel wird ab sofort eine Anmeldung mit Fremdclients verhindern. Wer ICQ weiterhin nutzen wollen würde, bräuchte dafür den offiziellen Client. Und wer würde das schon wollen, denn jeder ICQ-Enthusiast weiß, dass der werbeverseuchte offizielle ICQ-Client (nach ICQ Pro 2003b!) völlig unbrauchbar war. Miranda, Trillian, Pidgin, QIP und diverse andere waren die Antwort auf dieses bekannte Problem. Aber das alles war einmal. Nun ist also auch für mich hier Endstation. Ein wenig traurig darüber bin ich schon, denn es ist mehr als bloße Gewohnheit, dass bei mir ICQ immer im Hintergrund lief, auch wenn ich es in den letzten Jahren kaum noch tatsächlich für richtiges Chatten nutzte. Es wird also Zeit für einen kleinen Nachruf.

Meine ICQ-UIN 44683442 erblickte am Samstagvormittag, den 24. Juli 1999, um 9:50 Uhr das Licht der Welt, kurz nach meinem 15. Geburtstag. Und witzigerweise habe diese ICQ-Nummer nicht einmal ich selbst angelegt, sondern mein Vater. Der hatte zu jener Zeit diverse E-Mail-Bekanntschaften, die ihn wohl auf das wunderbare Programm Mirabilis ICQ hingewiesen hatten. So installierte er den Messenger auf unserem Familien-PC unter Windows 98, demonstrierte mir die Funktionen und die Kontaktsuche, und sorgte dafür, dass ich ebenfalls einen eigenen Account anmeldete. Was ich damit anfangen sollte, wusste ich zunächst nicht, denn mit so einer leeren Kontaktliste ist das Chatten natürlich nur halb so witzig. Auch mein Vater verlor schon bald wieder das Interesse, aus mehr oder weniger demselben Grund. Erst Ende des Jahres 2000 wurde ich erneut auf ICQ hingewiesen. Meinen eigenen Account hatte ich bis dahin längst vergessen, und so erstellte ich mir kurzerhand einen neuen, diesmal einen mit einer wesentlich größeren Nummer. Diesmal war alles besser: Viele Online-Bekanntschaften, Schulfreunde, Familie, sogar den einen oder anderen Promi konnte ich im Lauf der Zeit „adden“. Meine Kontaktliste füllte sich überraschend schnell, und bald blinkten oft ein halbes Dutzend Chat-Fenster gleichzeitig an meinen fest vereinbarten Online-Abenden (Ja, das Internet war damals noch teuer und langsam!). An guten Tagen sogar noch mehr. Aus meinem Zimmer schallten allerhand merkwürdige Geräusche, darunter das altbekannte Schiffshorn, der verzerrte Happy-Birthday-Gitarrenriff, laute Schreibmaschinentippgeräusche, und stundenlang „Uh Oh!“ Es gab viel zu besprechen.

Wenige Jahre später, wahrscheinlich so 2002 oder 2003, als das DSL-Zeitalter endlich auch bei uns begonnen hatte, erinnerte ich mich beiläufig an die alten ICQ-Accounts meines Vaters und von mir. Eine kurze Suche bestätigte: Ja, die gibts sogar noch. Und ein paar Mausklicks später konnte ich mir über die „Passwort-vergessen“-Funktion beide Accounts zurückholen. Ich wechselte in der Folge auf die alte, achtstellige ICQ-Nummer meines Vaters, denn wie die bereits erwähnten ICQ-Enthusiasten ebenfalls wissen: Kurze ICQ-Nummern sind elitär, und zeigen, dass wir schon ICQ benutzt haben, lange bevor es cool wurde. Das merkte man schon daran, dass man lange Zeit besonders kurze ICQ-Nummern bei Ebay ersteigern konnte. Dass ein Großteil dieser sehr kurzen und gar nicht mal so günstigen ICQ-Nummern von gehackten und geklauten Accounts stammte, konnte ja keiner ahnen.

Mein Miranda-Client kann sich seit heute morgen, Sonntag, den 30. Dezember 2018, nicht mehr anmelden. Aus und vorbei, einfach so, nach 19 1/2 Jahren. Meine ICQ-Nummer ist also immerhin volljährig geworden! Nun, genau genommen wird meine ICQ-Nummer wohl auch ohne meine Beteiligung noch mit Hilfe lebensverlängernder Maßnahmen beim Betreiber klinisch am Leben erhalten, aber der Hirntod ist längst eingetreten, es gibt keine Aussicht auf Genesung. Du wirst mir wirklich fehlen, ICQ. Die Öffentlichkeit hat dich wegen Social-Media-Rotz wie StudiVZ, Wer-kennt-wen und Facebook nach und nach fallengelassen. Dazu kamen ungeschickte Besitzerwechsel deinerseits, und der ruinierte offizielle ICQ-Client, den wirklich niemand mehr haben wollte.

Ach, was haben wir in all den Jahren erlebt, mein ICQ und ich. Zum Beispiel damals, im Februar 2006, in meinen Semesterferien, kurz bevor StudiVZ in Deutschland so richtig abhob, als mich aus heiterem Himmel ein Mädchen aus meiner Stadt angeschrieben hatte. Sie saß gerade im Computerraum ihrer Schule und langweilte sich furchtbar. Sie fragte mich, ob ihr Lehrer denn sehen könne, was sie da so heimlich schreibe. Wir trafen uns, verliebten uns. Im Sommer waren wir dann plötzlich fest zusammen. Nicht besonders lange, aber immerhin. Ich glaube wir haben den größten Teil unserer kurzen Beziehung über ICQ geführt, sogar unseren letzten sinnlosen Streit. Den die Ziege völlig grundlos angefangen hat. Ja, das war schon eine sonderbare Zeit.

Und jetzt? Jetzt gibt es doch längst WhatsApp, werden mir die Leute bereitwillig erklären, das doch heute angeblich soviel besser ist als ICQ je war. Aber die Wahrheit ist, WhatsApp & Co sind allesamt überhaupt kein Ersatz für ICQ. Es gibt nämlich keinen Ersatz für ICQ. Glaubt ihr nicht? Dann schaltet doch mal euer Smartphone aus und installiert euch WhatsApp auf dem Windows-PC, Mac oder unter Linux. Denn mit der Computertastatur chattet es sich sowieso viel leichter und schneller als auf einem Touchscreen. Was hör ich da? Ach das geht gar nicht? WhatsApp kann man nicht standalone an einem PC benutzen? Das ist aber schade. Ach, bei den ganzen anderen tollen Messengern geht das auch nicht? Krass, was für ein immenser technischer Fortschritt, da bin ich echt baff. Ja, das ist ja ganz schön dumm, dass der WhatsApp-Account allein an die Handynummer gebunden ist, auf die nur mein Mobilfunkanbieter Einfluss hat. Es scheint also, als wäre es heutzutage schon zuviel verlangt, einen ganz simplen Client anzubieten, den man auch ohne Mobiltelefon ganz normal am PC benutzen kann. So wie ICQ halt. So wie früher halt. Aber wer will das schon? Ich habe ICQ jahrelang auch am Handy benutzt, und es war völlig ok. Aber das war ja schon zu der Zeit, als die Menschen zu Facebook abgewandert sind.

Danke ICQ, dass du für mich da warst. Danke für die vielen tollen Leute, mit denen ich in all den Jahren in Kontakt gekommen und jahrelang in Kontakt geblieben bin. Danke, dass du mir eine zauberhafte Welt der Instant Messenger eröffnet hast, so wie es danach nie wieder war und wahrscheinlich nie wieder sein wird. Dass deine aktuellen Besitzer dir jetzt offiziell den Gnadenschuss verpassen, indem sie auch die letzten verbliebenen Nutzer aussperren – es ist vielleicht besser so, denn alte Gewohnheiten legt man ungern ab. CU, ICQ!

Eine gesunde Portion Selbstbeweihräucherung ist wohl nötig, nach dem Lern-Martyrium der vergangenen Wochen: Seit Donnerstag bin ich offiziell ein von Oracle zertifizierter professioneller(!) Java-Programmierer – endlich! Die hierzu nötige zweieinhalbstündige, umgerechnet 215 Euro teure Prüfung habe ich mit sagenhaften 91% glorreich bestanden. Zum Bestehen waren 65% richtige Antworten unter den insgesamt 65 Fragen nötig. Seit geschlagenen vier Jahren schon prokrastiniere ich dieses Thema vor mir her, weil ich genau wusste, was für ein Kraftakt das werden würde. Doch nun habe ich Nägel mit objektorientierten Köpfen gemacht. Ab jetzt bin ich nachweislich ein echter Java-Profi.

Wo die Vorgängerzertifizierung zum OCAJP meist noch ganz essentielle Sprachmechanismen, Konstruktoren, Operatoren, primitive Datentypen und Objekte und ihre Relationen zueinander, Vererbungshierarchien uvm. behandelt, besteht der OCPJP schon zum größten Teil daraus, dass man die halbe Java API auswendig kennen muss. Man sollte wissen welche Klassen und Methoden es gibt, in welchen Packages sie liegen, die dazugehörigen Parameterlisten, Rückgabetypen, welche Checked Exceptions diese werfen können, und das alles zu solch umfangreichen Themengebieten wie Collections/Generics, JDBC, Threads/Concurrency, Input-/OutputStreams, File IO/NIO.2, String-Verarbeitung und diverse andere. Außerdem werden einige Basis-Entwurfsmuster, Abstraktion und professionelles Klassendesign mit allen Fallen und Schikanen thematisiert, was alleine schon Stoff für eine ganze Prüfung gewesen wäre.

Bei allem Stolz auf das tolle Ergebnis, kam es für mich doch eher unerwartet, denn die schiere Menge an Themen, die man für die Prüfung vollständig verinnerlicht haben sollte, konnte einen schon sehr leicht erschlagen. Mein Prüfungsvorbereitungsbuch umfasst knapp 800 Seiten, dazu habe ich gleich zwei offizielle Online-Trainings von Oracle mitgemacht. Insgesamt fand ich den Lernaufwand mit grob geschätzt etwa 90 Nettostunden für meine Verhältnisse bereits enorm – und das obwohl laut Buch 200 Stunden empfohlen werden. Die offiziellen Oracle-Trainings grenzen meiner Meinung nach an Betrug, so behandeln sie nur einen Bruchteil des abgefragten Wissens, und selbst das auch nur oberflächlich, und kosten dazu noch unverschämt viel Geld. Hätte ich mich direkt nach dem Online-Training gutgläubig in die Prüfung gesetzt, wäre ich chancenlos durchgefallen.

Das Buch war schon deutlich hilfreicher, aber dazu musste man den fetten Wälzer erst einmal komplett gelesen haben, was mir schwerfiel. Das Werk scheint zwar bekannt und anerkannt zu sein, jedoch ist es – besonders in der zweiten Hälfte – voller Fehler. Offenbar hatte die Autorin keine Lust mehr, oder hat die Themen selbst nur noch so halb verstanden, über die sie schreiben sollte. Jedenfalls sind nicht wenige ihrer Antworten auf ihre eigenen Übungsfragen schlichtweg falsch, die Aufgaben mitunter fahrlässig missverständlich formuliert, oder sie lässt wichtige Fakten aus den Kapiteln einfach raus, um den Leser dann gezielt bei den darauf folgenden Übungsfragen auf die Schnauze fallen zu lassen. Am Ende habe ich mich über das Buch nur noch geärgert. Trotzdem war es allemal eine passable Vorbereitungsgrundlage.

Schließlich habe ich noch vier unabhängige Mock Exams (mit Erklärungen) absolviert, und ich bin sicher, diese haben mein Prüfungsergebnis am stärksten beeinflusst. Zunächst war ich über den sehr hohen Schwierigkeitsgrad entsetzt, und gleich unter den ersten paar Fragen waren Themen, von denen ich bisher noch nie gehört hatte, wo ich eigentlich nur raten konnte. Allerdings bestätigte mir das Ergebnis am Ende doch, dass es zum Bestehen locker reichen sollte. Dadurch lernte ich, was denn so die typischen Fragestellungen sind, und konnte bei meinen falschen Antworten auch gleich sehen, wo der Fehler lag. Die eigentliche Prüfung kam mir schließlich sogar irgendwie einfacher vor als die Mock Exams – was aber auch daran liegen könnte, dass ich alle Aufgabentypen und die häufigsten Fehler schon kannte, und oft wusste, auf welche Details ich besonders achten musste.

Dummerweise habe ich mir ausgerechnet in der Prüfungswoche die für 2018 längst überfällige Herbst-Erkältung eingefangen, so dass ich, statt mich mit einer Wärmflasche ins Bett zu legen, leider mit Halsschmerzen, dröhnendem Schädel, Triefnase und Husten die Java API pauken und dann sogar die Prüfung mit Handicap ablegen musste. Hätte ich die Prüfung denn nicht kurzfristig verschieben können? Nur theoretisch. Leider war das keine praktikable Option, schon da mein Zertifizierungspfad von Oracle nach Ablauf des Jahres nicht mehr angeboten wird. Hätte ich im Dezember keinen Prüfungstermin mehr bekommen, auf Grund welcher Umstände auch immer, dann hätte ich den OCPJP nicht mehr machen können. Dann hätte ich mit dem OCA Java 8 wieder von vorne anfangen müssen. So gesehen habe ich das Zertifikat also quasi in letzter Minute erlangt.

Ich bin sehr froh, dass das Thema hiermit ein erfolgreiches Ende hat, und ich fürchte, ich kann jetzt erst einmal kein Java mehr sehen. Das war einfach zuviel des Guten. Ist ja zum Glück auch bald Weihnachten, Zeit, mich auf meinen Lorbeeren auszuruhen, und vor allem mich auszukurieren. Und so schnell folgt nun keine nächsthöhere Zertifizierung, was auch gut so ist. Obwohl … ich KÖNNTE natürlich irgendwann die Upgrade-Zertifizierung für Java 8 machen. Naja… nein. Lieber nicht.

Ende der 90er Jahre war es leicht, ein Bullfrog- und Peter Molyneux-Fan zu sein. Die britische Spielefirma kannte ich bereits seit meiner Kindheit von Powermonger und Populous auf dem Atari ST, später spielte ich auch Theme Park und Hi-Octane, und auch in Syndicate Wars investierte ich viel Zeit. Das Jahr 1997 brachte uns gleich zwei Kracher von der Insel: Dungeon Keeper und Theme Hospital. Ersteres räumte für seine innovative Spielidee und grandiose Umsetzung viele Preise ab, letzteres stand dagegen ein wenig in dessen Schatten. Es wurde zwar lobend und wohlmeinend beurteilt, es habe zwar nicht ganz die Klasse des wesentlich bekannteren Freizeitpark-Vorgängers von 1994, aber sei dennoch ein witziges und angenehm zu spielendes, solides Werk, vielleicht ein wenig verbuggt, aber doch insgesamt gut. Und schon nach kurzer Zeit geriet das Spiel in Vergessenheit.

Theme Hospital ist ein Krankenhaus-Aufbauspielchen mit isometrischer 2D-Comic-Grafik, witzigen Fantasiekrankheiten und schrägen Animationen. Wer als Kind eine Playmobil-Arztpraxis betrieben hat, wird Theme Hospital lieben. Zu knuffig sind die vielen kleinen Leute, die durch die Gänge tapsen, ihrer Arbeit nachgehen, sich behandeln lassen, oder die Toilette aufsuchen. Die Grafik ist farbenfroh und nach damaligen künstlerischen Maßstäben wunderbar gepixelt. Der Schwierigkeitsgrad lässt sich in drei Stufen einstellen, ist aber insgesamt höchstens moderat. Da die Windows 95-Version heute nicht mehr überall besonders gut läuft, und diese bei mir auch unter VirtualBox in einer XP-VM leider extreme Performance-Probleme hatte, musste ich zur DOS-Version (Gepatchte deutsche Version 1.0.0.1) in der Emulation via DOSBox greifen, was problemlos funktioniert hat.

Mein jüngeres, 15-jähriges Ich würde wohl ungläubig gucken, wenn ich ihm erzählte, dass er noch fast 20 Jahre braucht, bis er das Spiel tatsächlich durchspielt. Aber es ist endlich vollbracht. Und so wurde Theme Hospital hiermit zum allerersten Spiel, das ich komplett in DOSBox bis zum Ende gespielt habe. Nachdem ich die Demoversion nach 1997 schon gespielt hatte bis der Arzt kommt, enttäuschte mich die Vollversion, die ich mir nicht mehr als zwei Jahre später besorgte, zunächst maßlos. Der Grund war recht simpel: Die ersten paar Levels sind wunderbar zu spielen, und haben mich genauso sehr mitgerissen wie die Demo. Und dann kamen die Epidemien.

Epidemien sind Zufallsereignisse und im wahrsten Sinne des Wortes die Pest in Theme Hospital. Sie machen mir das Spiel zur Hölle, was mir auch Ende der 90er schon unangenehm aufgefallen ist, weshalb ich es frühzeitig aufgegeben habe. Wer von einer Epidemie heimgesucht wird, kann diese entweder pflichtbewusst freiwillig melden und zahlt pauschal 10.000 Dollar Strafe. Das ist schon nicht leicht zu stemmen, besonders weil Epidemien in den höheren Levels ständig auftreten, gerne auch gleich mehrmals hintereinander, und man dadurch ruckzuck pleite ist und den Level von vorne beginnen darf.

Sinnvoller ist es, die Epidemien zu vertuschen und heimlich zu bekämpfen. Dann muss man eigentlich nur die betroffenen Patienten suchen und händisch mit der Maus markieren. Die Krankenschwestern können dann die markierten Patienten impfen. Schließlich muss man nur noch dafür sorgen, dass die Epidemie-Patienten schnell geheilt werden, bevor das Gesundheitsamt Wind davon bekommt. Dumm nur, dass hier absolut nichts funktioniert: Die Krankenschwestern übersehen minutenlang einzelne markierte Patienten, selbst wenn sie direkt davorstehen, selbst wenn man zehn extra neu angestellte Krankenschwestern direkt neben ihnen abstellt. Im schlimmsten Fall ignorieren sie die Patienten bis zum bitteren Ende.

Und sogar wenn alle Patienten erfolgreich geimpft sind: Ob und wieso eine Epidemie vom Gesundheitsminister entdeckt wird, scheint reiner Zufall zu sein. Beim allerersten Fall zahlte ich astronomische 36.000 Dollar Strafe und war auf einen Schlag ruiniert – Level verloren, alles für die Katz. Ein anderes Mal sind es „nur“ 8000 oder gar 4000 Dollar Strafe, und hin und wieder gewinnt man und bekommt plötzlich 9000 Dollar Entschädigung für eine Epidemie. Oft reicht es, wenn man dieselbe Epidemie via Savegame ein zweites oder drittes Mal spielt, ohne dass man den Eindruck hat, weniger falsch gemacht zu haben, schon ändert sich das Ergebnis extrem. Die Epidemien scheinen komplett fehlerhaft zu sein, und machen das Spiel fast ungenießbar. Denn eigentlich will man bauen und verwalten, und sich nicht ständig davor fürchten müssen, dass die nächste Epidemie mir das Level ruiniert. Dass die Epidemien oftmals schon in der frühesten Spielphase fast ausschließlich Krankheiten betreffen, die man noch nicht einmal behandeln kann, ist nur ein weiteres der unzähligen Probleme des Spiels.

Doch zum Glück gibt es für diesen Bug auch gleich einen Konter-Bug. Wenn man das Spiel sofort speichert, bevor man eine Epidemie „angenommen“ hat, kann man durch geduldiges Neuladen und Epidemiewarnung wegklicken, die Epidemiewarnung irgendwann gänzlich verschwinden lassen. Wenn das passiert, taucht im gesamten restlichen Level keine weitere Epidemie mehr auf, denn der Epidemiestatus scheint dadurch im Nirvana zu hängen. Durch diesen kleinen Kniff wurde das Spiel für mich tatsächlich wieder spielbar. Ein wirtschaftlich rentables Krankenhaus mit einem guten Ruf aufzubauen, ist schließlich schon schwer genug. Und selbst wenn man den Bug nicht triggern kann, kann man durch das Zurückgehen auf ein älteres Savegame die kommende Epidemie oft noch vermeiden.

Auch wenn es grausam klingt: Patienten, deren Gesundheitszustand sich rapide verschlechtert (zu erkennen an dem traurigen Smiley, der sich Schritt für Schritt in einen Totenschädel verwandelt) sofort aus dem Krankenhaus schmeißen, wenn sie nicht offensichtlich kurz vor der Heilung stehen. Das Spiel bestraft Sterbefälle nämlich rigoros. Zum einen ist der Imageschaden pro verlorenem Patienten deutlich spürbar, zum anderen fehlt in der Jahresendabrechnung der großzügige Keine-Sterbefälle-Bonus von 10.000 Dollar, der gerade in höheren Levels über Sieg oder Pleite entscheidet. Des Krankenhauses verwiesene Patienten mindern den guten Ruf dagegen auch in größeren Zahlen kaum. Daher am besten knallhart bleiben und die schwerkranken Patienten konsequent vor die Tür setzen, bevor sie zum Problem werden. Bei längeren Warteschlangen kippen die Menschen garantiert früher oder später reihenweise um, und der Sensenmann freut sich über das gute Geschäft. Später habe ich dann zum Glück begriffen, dass das Spiel von mir erwartet, Räume mehrfach zu bauen. Am Ende ist es keine Seltenheit mehr, dass man fünf, sechs oder noch mehr Allgemeinmediziner gleichzeitig beschäftigt.

Achja, die Erdbeben, das nächste Ärgernis in dem Spiel. Wiederholt kam es vor, dass einwandfreie medizinische Räume, die erst Sekunden zuvor von einem Handwerker repariert worden waren, durch ein folgendes Erdbeben zerstört wurden, obwohl das gar nicht passieren dürfte. Und zerstörte Räume sind dann im Spiel auch noch unbenutzbarer Platz, der sich nicht für alles Geld der Welt renovieren lässt. Oft reicht gefühlt schon ein winziger Kratzer an einem Diagnose- oder Behandlungsgerät und beim nächsten Erdbeben fliegt einem alles um die Ohren. Es nervt wirklich sehr.

Weiter gehts mit den Notfällen: Am Anfang ist man meistens ganz froh, wenn man mit der Pharmatheke, dem Entlüfter, und der Polyklinik wenigstens ein paar einfache Basiskrankheiten heilen kann, um nicht sofort rote Zahlen schreiben zu müssen, und dann kommt ein Notfall rein: Vier Patienten mit außerirdischer DNA. Oder 13 Patienten mit Verstrahlung. Schön für euch, ich kann euch nicht helfen. Aber sobald man endlich alle Krankheiten diagnostizieren und behandeln kann, kommen keine Notfälle mehr rein. So ist Theme Hospital. Genauso albern wie seine Animationen.

Einmal war ein Arzt aus irgendeinem Grund unter einem Billardtisch im Personalraum gefangen. Bei einem angekündigten Notfall mit sechs Patienten sind vier erst gar nicht aufgetaucht. Ich habe die ganze Karte nach ihnen abgesucht. Entsprechend wurde mir der Bonus verwehrt, weil ich nur zwei retten konnte. Und das kam später mehrmals vor. Gleich mehrere Ärzte wollten ums Verrecken ihre endlose Ausbildung zum Berater nicht abschließen. Irgendwann war ich mir sicher, dass ich einen Bug gefunden hatte. Als ich schließlich aus Verzweiflung den Lehrer ausgewechselt habe, sind nur eine Sekunde später auf einen Schlag fast alle Ärzte gleichzeitig zu Beratern aufgestiegen.

Die deutschen Texte in dem Spiel sind leider voller Fehler, numerische Werte werden falsch eingesetzt oder falsch umgerechnet („Sie haben Diagnosegeräte von 100 2.121996e-314rforscht.“, „Melden Sie die Epidemie, müssen Sie eine Strafe von 1852392736 zahlen.“). Einige „Tipps“ sind komplett irreführend und wenig hilfreich („Ihre Empfangsdamen sind total erschöpft. Veranlassen Sie sofort, daß sie eine Pause einlegen.“). Eine meiner Krankenschwestern wollte ihren Behandlungsraum partout nicht mehr verlassen, litt dadurch am Ende unter einem Burnout, und verlangte schließlich eine Gehaltserhöhung nach der anderen. Die Liste der Fehler ließe sich vermutlich noch eine Weile fortsetzen.

Kann ich das Spiel unter den gegebenen Umständen und trotz seiner vielen Problemchen überhaupt noch empfehlen? Aber unbedingt! Theme Hospital mag ein bisschen sperrig sein, es mag verbuggt sein, aber es hat Charme, es hat Spielwitz, es ist spannend, fordernd, es ist nett anzusehen, und der Wuselfaktor ist relativ hoch. Man muss mit seinen Macken umgehen können, dann macht das Aufbauen auch heute noch gehörigen Spaß. Leider krankt die Einzelspieler-Kampagne an einem Problem, das viele vergleichbare Aufbauspiele haben: Es ist furchtbar repetitiv. Im Prinzip baut man 12 Krankenhäuser auf, bis man den Abspann sieht. Von der Rezeption bis zum allerletzten Behandlungsraum muss man jedes Krankenhaus immer wieder von vorne hochziehen und liebevoll einrichten. Und es ist oft frustrierend, wenn man wirklich viel Zeit und Mühe in den Aufbau eines Krankenhauses investiert hat, endlich alles perfekt und rund läuft, den Level-Ende-Bildschirm sieht, um dann gleich wieder bei Null anfangen zu müssen. Irgendwann war dann auch bei mir die Luft raus. Da war ich dann doch froh, dass das Spiel nicht 20 oder gar 30 Levels hat.

Auch wenn es mit Two Point Hospital seit kurzem einen offiziellen inoffiziellen 3D-Nachfolger von den Original-Designern gibt, ist das für mich kein Grund, Klassiker wie diesen aus meinem Kopf zu verdrängen, denn ich hatte an Theme Hospital in meiner Jugend eine Menge Freude, und nun habe ich dieses Kapitel für mich mit einem kleinen Sieg abgeschlossen. Außerdem gibts Theme Hospital noch gänzlich ohne Steam-Zwang, und das ist mir heutzutage sehr viel Wert.