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Ein kleiner Schritt für einen Nerd, ein weiterer Meilenstein auf meinem Pfad in die eigene Datensouveränität: Alle meine Festplatten sind heute vollständig verschlüsselt. Ja, irgendwann habe ich es einfach gewagt, Veracrypt installiert und damit begonnen, einen Datenträger nach dem anderen zu verschlüsseln. Zunächst vorsichtshalber nur bei Festplatten, die komplett redundant gesichert sind, um es anzutesten. Nach den ersten Monaten ohne Schwierigkeiten dann schließlich durchgängig bei allen anderen Festplatten. Ich habe bei dem Thema zuvor lange mit mir gerungen, und den Grund dafür werde ich in den folgenden Absätzen gerne kurz anreißen, denn es sind Dinge, die man hierzu unbedingt wissen sollte.

Schon damals im Studium im Jahr 2007 habe ich mit dem Veracrypt-„Vorgänger“ Truecrypt ein wenig experimentiert. So erstellte ich mehrere verschlüsselte Datencontainer auf meiner Festplatte, mit einem sicheren Passwort versehen, und kopierte einige Dateien hinein. Die Container konnten schon damals relativ einfach immer bei Bedarf wie ein eigenes Laufwerk unter Windows gemountet werden, was mir grundsätzlich sehr gefiel. Erstellt habe ich sie in Größen von 1 bis 2 GB und mit allerlei Dateien gefüttert, hauptsächlich Spiele und anderen Kram, den ich ohnehin auslagern wollte. Nichts Wichtiges zum Glück. Das hat eine Weile nämlich ganz gut funktioniert. Bis der größte der Container ganz plötzlich von heute auf morgen das Passwort nicht mehr akzeptiert hat. Eine Internetsuche zu dem Problem brachte mich auf die Idee, das Headerbackup, das man zuvor angelegt hatte, wieder auf den Container einzuspielen. Das Einspielen gelang, aber das Passwort nahm Truecrypt im Anschluss trotzdem nicht an. Eine längere Internetsuche brachte keine weitere rettende Idee. Die Dateien waren natürlich alle noch da, aber ich kam nicht mehr dran, und so verabschiedete ich mich bald davon. Das Experiment war gescheitert. Heute, 12 lange Jahre später, kann ich auch nicht mehr mit hundertprozentiger Gewissheit sagen, ob ich mich vielleicht mit dem Passwort vertan hatte, oder ob der Container doch irgendwie beschädigt wurde. Aus Erfahrung weiß ich beispielsweise, dass Scandisk/Checkdisk von Windows bei mir auch gerne mal große Dateien kaputtrepariert hat. Wäre also nicht so abwegig gewesen.

Ich lernte damals, von Truecrypt doch besser Abstand zu nehmen, denn man kann sich leicht daran die Finger verbrennen. Auch heute, wenn man in Internetforen nach Problemen mit Truecrypt/Veracrypt sucht, wird man überhäuft von Meldungen über plötzlichen Datenverlust durch Fehlfunktionen und verschlüsselte Container, die sich nicht mehr öffnen lassen bzw. das Passwort einfach nicht mehr akzeptieren. Viele verzweifelte oder verärgerte Hilferufe von Nutzern, die kein Backup haben und jemanden suchen, der ihre Daten retten kann – zur Not sogar gegen viel Geld. Offenbar ist dieses Thema selbst heute noch mit großer Vorsicht zu genießen, denn wird der Container durch einen Schreibfehler beschädigt, kann es im ungünstigsten Fall passieren, dass die Gesamtheit der Dateien sich in Sekundenschnelle in unlesbaren Datenmüll verwandelt. Bei einer unverschlüsselten Festplatte hätte man hier zumindest noch die Chance, alle unbeschädigten Daten zu extrahieren. Eine Festplattenverschlüsselung bietet ein ausgezeichnetes Maß an Schutz der Daten vor fremdem Zugriff, aber macht die Datenrettung bei einem Festplattendefekt leider gleichzeitig extrem schwer, wenn nicht sogar unmöglich. Ein großer Vorteil also, der im Katastrophenfall zu einem großen Nachteil werden kann.

Festplattenverschlüsselung taugt also gar nicht für den Alltag? Viel zu unsicher? Ganz im Gegenteil! Jeder, der mit dem Gedanken spielt, seine Dateien zu verschlüsseln, sollte sich natürlich darüber im Klaren sein, dass es unverzichtbare und verzichtbare Daten gibt. Unverzichtbares wird bei mir redundant an zwei Orten gleichzeitig gelagert und verschlüsselt. Fällt ein Datenmedium aus, habe ich immer ein Backup. Wer es sich leisten kann, setzt sogar auf mehrfache Redundanz, im Idealfall räumlich getrennt. Verzichtbares kann ich logischerweise auch ohne Backup verschlüsseln. Fällt dieses Datenmedium aus, ist der Tag womöglich ruiniert, aber ich breche nicht gleich in Tränen aus. Pech gehabt, das Leben geht weiter. So handhabe ich das im Moment. Alles wird verschlüsselt, aber nur das Wichtigste wird als Backup vorgehalten. Ein bisschen Risiko ist immer im Spiel.

Wie sieht meine bisherige Erfahrung nach mehreren Monaten mit Festplattenverschlüsselung aus? Derzeit habe ich 16 vollständig verschlüsselte Festplatten im Einsatz. Davon 5 im NAS, 2 intern, und 9 extern. Das entspricht insgesamt 105 Brutto-Terabyte (rein nach Herstellerangaben). Bislang sind keine Ausfälle oder Fehler zu beklagen. Selbst das mehrfache harte „Ausstöpseln“ von USB-Datenträgern durch ein Versagen der Stromversorgung hat Veracrypt gut überstanden, obwohl es jedes Mal eine Warnmeldung ausgegeben hat. Eine Schrecksekunde gab es, als die größte Festplatte sich irgendwann nicht mehr mounten ließ. Traumatisierende Flashbacks an den großen Datenverlust von 2007 geisterten mir sofort im Kopf herum. Nach einem Neustart und einem doch noch erfolgreichen Einhängen der Platte dämmerte es mir, dass ich wohl versehentlich unter Veracrypt die falsche Partition auf dem richtigen Laufwerk mounten wollte. Es handelte sich offenbar um diese komische unzugängliche Recovery-Partition auf WD-Festplatten, die mir zur Auswahl angezeigt wurde.

Keine Probleme also bei mehr als einem Dutzend verschlüsselter Festplatten. Keine schlechte Leistung. Also alles gut? Nunja, ich rechne noch mit dem ersten Ausfall im Lauf der Zeit. Vermutlich früher als mir lieb ist. Und dann hoffe ich, dass es eine der Festplatten trifft, die von mir regelmäßig gespiegelt werden. Eine gute Datenpflege und -strategie ist dabei natürlich unerlässlich, wenn man mit sovielen Datenträgern hantiert. Veracrypt macht es mir leicht, indem es beim Anschließen einer Festplatte sofort ein Password-Prompt einblendet und unaufgefordert das Einhängen übernimmt. Bis jetzt bin ich wirklich beeindruckt wie gut es funktioniert, und es beruhigt mich sehr. Wenn ich bisher alte Festplatten entsorgen wollte, musste ich zuvor daran denken, alles komplett zu formatieren, oder falls nicht mehr möglich, die Festplatte mechanisch zu zerstören. Der Inhalt einer verschlüsselten Festplatte ist dagegen völlig unbrauchbar für andere Personen, sie enthält quasi nur unverständliches Rauschen. Ich könnte also jede meiner Festplatten einer wildfremden Person in die Hand drücken, und meine Daten wären trotzdem sicher. Viel zu wenige Menschen machen sich Gedanken über den Inhalt ihrer weggeworfenen Festplatten, und was man davon noch problemlos rekonstruieren könnte.

Aus meiner Sicht war es mittlerweile wirklich an der Zeit, künftig ausschließlich mit verschlüsselten Daten zu arbeiten. Festplattenverschlüsselung ist heute absolut kein Hexenwerk mehr, die Möglichkeiten besser als je zuvor, der Aufwand hält sich stark in Grenzen. Ja, man muss beim Booten mehr Passwörter eingeben (oder Keyfiles angeben), aber die Vorteile überwiegen die Nachteile bei weitem. Es ist fahrlässig, seine Daten offen herumliegen zu lassen. Davon wird mindestens jeder ein Lied singen können, dessen Laptop einmal gestohlen wurde, oder der bereits Opfer einer Hausdurchsuchung geworden ist. Besser kein Risiko eingehen. Aber kostet das Lesen und Schreiben auf eine verschlüsselte Festplatte denn nicht viel mehr Performance? Nein, überhaupt nicht, denn AES-Verschlüsselung wird hardwareseitig in Echtzeit unterstützt. Es macht keinen Unterschied. Und mit Veracrypt bekommt man eine leistungsfähige, sichere und offene Softwarelösung, die zudem auch nichts kostet.

Ich kann also jetzt endlich guten Gewissens einen weiteren Punkt auf meiner Datenschutz-Checkliste streichen und werde mich hoffentlich im kommenden Jahr schon um den nächsten kümmern.

bafoegrueckzahlungWer nicht gerade eine Zahlungsmoral wie die scheinheilige BILD-Feministin Alice Schwarzer oder Fußballmagnat Uli Hoeneß hat, der wird angesichts eines größeren Schuldenbergs permanent von einem unguten Gefühl, ja beinahe einem schlechten Gewissen geplagt. Der Staat (bzw. das Bundesland) hat offenbar keine Schwierigkeiten damit, unverschämt hohe Studiengebühren einzuführen und einen jungen Menschen hochverschuldet aus dem Studium zu entlassen. Nun, andererseits sorgt man bei uns gleichzeitig dafür, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, die Studienschulden nachträglich abzuarbeiten, zudem sind die Rückzahlungsmodalitäten recht großzügig. In Kombination mit der Tatsache, dass man beispielsweise BAföG nur zur Hälfte zurückzahlen muss, sind die fiesen Studiengebühren ja praktisch wieder ausgeglichen. Doch das ungute Gefühl bleibt. Tag für Tag.

Studenten-BAföG hat oftmals ein Problem: Es endet bevor das Studium endet. In meinem Fall eineinhalb Jahre zu früh. Wer beispielsweise BAföG beantragt hat, aber den Antrag rechtzeitig zurücknimmt (wegen Hochschulwechsel o.ä.) bevor Geld ausgezahlt wurde, der bekommt das nichtbezahlte Semester trotzdem voll abgezogen. Berührt – geführt, sozusagen. Dieses undurchdachte System und die Tatsache, dass ich nicht unbedingt der allerschnellste Student war, trieb mich letztlich dazu, den voll verzinsten Bildungskredit in Anspruch zu nehmen, damit ich noch meinen Abschluss machen konnte. Alternativ hätte ich mir mein Diplom natürlich auch auf dem Straßenstrich finanzieren können, aber da war mir der Kredit lieber.

An finanziellen Bezügen hatte ich in den fünf Studienjahren knapp über 20.000 Euro. Das klingt zahlenmäßig nach viel Geld, aber auf den Monat gerechnet, klingt das eher nach einer sehr sparsamen Lebensweise, wenn man damit über die Runden kommen will. Ein Auto oder eine Wohnung ist da nicht drin. Zurückzuzahlen waren davon nur etwa 14.000 Euro. Allerdings gibt es für BAföG-Sofortzahler (nach Ablauf der fünfjährigen Pflicht-Wartezeit, die ich gerne vermieden hätte) noch einen zusätzlichen Rabatt, der meine Nettoschuld auf beinahe lächerliche 12.500 Euro reduziert hat. Den Bildungskredit konnte ich von meinem Lohn des ersten halben Jahres in gigantischen Raten schnellstmöglich abzahlen, schon allein wegen der Zinsen des laufenden Kredits. Dieses Kapitel war dann bereits zum Jahreswechsel 2011/2012 erledigt. Die Wartezeit für die BAföG-Rückzahlung war letzten September beendet. Passenderweise genau zu dem Zeitpunkt als ich wegen des Umzugs äußerst knapp bei Kasse war. So musste ich unter Zeitdruck noch eine Menge Geld zusammensparen. Möbel und Haushaltsgeräte durfte ich mir nicht leisten.

Ende Januar habe ich den letzten Monsterbetrag an das Bundesverwaltungsamt überwiesen. Damit bin ich offiziell pleite, aber schuldenfrei. Nun hoffe ich, dass ich noch irgendeinen schriftlichen Beleg über den Zahlungseingang bekomme. Und vielleicht einen Blumenstrauß für das erfolgreiche Überwinden dieses finanziellen Tiefpunkts meines Lebens. Ein Studium ist sehr teuer. Aber wie teuer es wirklich ist, merkt man erst im Nachhinein, wenn man mal alles zusammengerechnet hat. Ich weiß schon, warum ich nie irgendwas auf Raten kaufen werde, und warum ich etwa keinen Dispokredit und keine Kreditkarten habe. Ich weigere mich, Geld auszugeben, das ich nicht selbst auf der Hand habe. Meine Studienschulden waren mir Lehre genug. Man lernt den Wert des Geldes relativ schnell, wenn man nie viel davon hatte.

Rein theoretisch wäre es längst wieder an der Zeit für einen (not so) weekly rant, und Material dazu gäbe es zur Genüge, doch erst gestern fiel mir erneut der successdenied’sche Besucherzähler ins Auge, der schon eine ganze Weile dicht unter der Zehntelmillion herumkrebste, aber noch nie gar so dicht wie zum späten Abend. Heute morgen war es schließlich soweit: Die 100.000 Besucher für meinen Blog sind endlich voll! Ganz großes Kino! Absolute Oberklasse. Ich danke meiner Familie, meinen Freunden und allen die mich in diesen schwierigen Zeiten unterstützt haben. Die harte Arbeit hat sich gelohnt, ohne euch wäre das niemals möglich gewesen. Wir haben die Wahl gewonnen! Da muss ich gleich mal ein Riesenfass aufmachen.

Würde ich womöglich, wenn ich nicht selbst wüsste, dass die Zahlen des Besucherzähler-Scripts auch nur sehr begrenzt Aufschluss über die tatsächliche Anzahl Besucher geben. SuccessDenied.com wurde über Monate hinweg täglich von unzähligen Spambots besucht, bis ich effektiv etwas dagegen unternehmen konnte. Als die „Besucherzahlen“ sich dann schlagartig halbierten, staunte ich nicht schlecht. Langer Rede kurzer Sinn: Ich habe keine Vorstellung davon, wieviele Besucher es wirklich waren. Ist mir aber auch egal.

Irgendwas muss ich ja schließlich feiern, richtig? Viereinhalb Monate haben die ersten 1000 Besucher sich Zeit gelassen. Nach einem Jahr aktivem Herumgeblogge habe ich die 10.000-Besucher-Hürde übersprungen. Inzwischen bin ich seit drei Jahren und dreieinhalb Monaten dabei, und wieder ist ein Meilenstein erreicht. Was kommt als nächstes? Nunja, die erste Million ist angepeilt, fehlen doch nur noch 900.000. Mein Taschenrechner sagt, dass das in ungefähr 30 Jahren machbar sein wird. Wir nehmen die Herausforderung natürlich an und erledigen das bereits in den kommenden vier Jahren.

Viel geändert hat sich sonst nicht. Gefühlt verbringe ich im Büro mehr Zeit als in den gemieteten vier Wänden. Das Gehalt der kommenden beiden Monate (so wie schon das der vergangenen zwei Monate) geht praktisch komplett an das Bundesverwaltungsamt und an die Kfz-Versicherung. Das bedeutet, dass sich die Anschaffung von neuem Mobiliar bis mindestens Februar verzögern wird. Dafür ist es mir sogar gelungen, durch einen kleinen sorglosen Griff meinen einzigen Schreibtischstuhl zu zerlegen, so dass sich die Liste der zu kaufenden Dinge zwangsläufig erweitert hat. Da kommt doppelt Freude auf.

Aber ich freue mich auf Weihnachten. Nicht nur, weil ich dann wieder etwas Zeit für mich habe, sondern auch, weil damit wieder ein sehr ereignisreiches Jahr zu Ende geht. Seit dem Go-Live von SuccessDenied.com konnte ich erfolgreich mein Studium abschließen, einen guten Job erkämpfen, berufliche Stabilität gewinnen, in diesem Jahr ein eigenes Auto kaufen und eine eigene Wohnung mieten, und vielleicht gelingt es mir noch im Dezember, meine letzten Studienschulden abzuzahlen. Dann kann das hoffentlich noch viel erfolgreichere Jahr 2014 endlich beginnen.

Zur Zeit befasse ich mich (wieder) privat und beruflich mit dem Thema „Entwurfsmuster“ („Design Patterns„). Meine letzten Versuche, diese Thematik anzugehen, waren zaghaft und wenig erfolgreich. Zu trocken und zu abstrakt. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich irgendwas davon irgendwo mal hätte einsetzen können. Inzwischen habe ich den Entschluss gefasst, mir die Entwurfsmuster jetzt endgültig gedanklich anzueignen und damit zu arbeiten. Das bekannte Werk „Entwurfsmuster von Kopf bis Fuß“ („Head First Design Patterns„) bringt dem Leser die einzelnen Muster auf humorvolle bildhafte Weise näher. Ich muss sagen, das gelingt wirklich sehr gut. Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass ich es verstehe und daraus einen Vorteil ziehen kann.

Vielleicht hatte ich deshalb Schwierigkeiten, mich initial damit anzufreunden, weil die Entwurfsmuster bei mir für ein mittelschweres Trauma gesorgt hatten. Dieses genoss ich vor eineinhalb Jahren, kurz nach meinem Studium, das ich mit einem breiten Grinsen und vor Stolz geschwellter Brust abschloss, und eine Welt erwartete, die taufrische Informatiker mit offenen Armen, einem Glas Sekt, und dem roten Teppich empfangen würde. Damals, in meiner Experimentierfreude, bewarb ich mich bei einer Spieleentwicklerfirma als Junior-Developer für Tools. Freudig erzählte ich davon, dass ich mich für den Richtigen für den Job halte, weil ich viel Erfahrung mit Spielen habe, weil ich das Spiele-Repertoire des Unternehmens kenne und selbst spiele, und ganz besonders weil ich selbst schon etwas Erfahrung im Bereich Spieleentwicklung gesammelt habe, sowohl 2D als auch 3D, sowohl Windows als auch Linux, sowohl Java als auch C++. Bestimmt würde man mir gleich den Arbeitsvertrag rauslegen.

Stattdessen fragte man mich ziemlich ausführlich, ob mir Erich Gamma ein Begriff ist, ob ich weiß wer die Gang of Four ist und was die eigentlich gemacht haben, ob ich irgendwelche Design Patterns kenne und möglichst auch gleich beschreiben könnte, wofür die da sind. Observer hier, Factory da, Design Patterns dort und überall. Ich musste bei jeder Frage abwinken und saß am Ende nur noch mit einem roten Kopf da, wollte nur noch, dass es endlich aufhört. Der Rest des Bewerbungsgesprächs verlief nicht minder ernüchternd. Lauter Begriffe, die ich vielleicht mal gehört hatte, oder eben nichtmal das. Es ging spätestens jetzt nicht mehr darum, ob ich die Stelle bekommen würde oder nicht. Die haben es nämlich geschafft, mir den Job auszureden. Ich wollte die Stelle gar nicht mehr. Ich begann zu zweifeln, ob ich als Entwickler überhaupt geeignet bin. Vielleicht hätte ich als Maurer mehr Glück.

Ich bin aus dem Informatikstudium entlassen worden, ohne dass der Begriff „Entwurfsmuster“ jemals in einer Vorlesung gefallen wäre. Java, PHP, C und C++ waren im Studium eigentlich nicht zu kurz gekommen und auch gab es die eine oder andere Vorlesung zum Thema Software Engineering, wo dann so Dinge wie das Wasserfall-Modell und das V-Modell durchgenommen wurden. Meine Noten waren zumeist überdurchschnittlich. Ich hatte nie Anlass gehabt mich schlecht vorbereitet zu fühlen. In meiner Freizeit hatte ich durchaus das eine oder andere kleine Progrämmchen oder Spielchen entwickelt, aber auch da stieß ich nie auf Entwurfsmuster, wenn ich mal was recherchierte. Und dann stand ich da, mit einem Diplom in der Hand, ohne Kenntnis von Entwurfsmustern. Und so jemanden wollen die Arbeitgeber wohl nicht.

Ich hatte Glück, ich bin nach zehnmonatiger Stellensuche gnädigerweise doch noch in einem IT-Unternehmen angestellt worden. Was sprach am deutlichsten gegen meine Anstellung: die zehnmonatige Stellensuche – „Grenzwertig“, laut Personaler. Dass ich unerfahren bin und keine Entwurfsmuster kenne, ist unproblematisch und lässt sich ändern. Warum nicht gleich so? Dann wären mir auch zehn Monate Unsicherheit erspart geblieben. Hätte meine Arbeitslosigkeit länger als ein Jahr angedauert, wer weiß ob mir mein Diplom dann noch genützt hätte.

Ich bin ja bekanntlich ein sehr großer Fan typisch deutscher, überkorrekter, unendlich kleinlicher Bürokratie. Nicht. Mein letzter Job war der im zweiten Praxissemester des Studiums, und das liegt schon zweieinhalb Jahre zurück. Von den letzten sieben Lohnsteuerkarten, die mir die Stadt Jahr für Jahr fleißig zugeschickt hat, habe ich zwei oder vielleicht drei gebraucht. Bis heute habe ich keine genaue Vorstellung davon, wofür das Ding überhaupt gut sein soll. Meistens sind die Lohnsteuerkarten einfach in irgendeine Schublade gewandert, weil ich mir sicher war, dass man für die Vorlesungen keine benötigen wird.

Genauso erging es der Lohnsteuerkarte 2010. Die muss wohl irgendwann Ende 2009 in der Post gelegen haben. Nachdem sie monatelang auf meinem Schreibtisch unter einem dicken Stapel Papier ihr trauriges Dasein fristete, habe ich wohl doch irgendwann im Sommer 2010 mal aufgeräumt und alles in große Plastiktüten gestopft – zu wichtig um es wegzuwerfen, aber zu unwichtig um es jemals wieder anzufassen. So dachte ich jedenfalls. Aus den Augen aus dem Sinn.

Viel später. Wir schreiben das Jahr 2011 – im August – also beinahe schon 2012, irgendwie. Der erste Schritt auf die unterste Sprosse der Karriereleiter ist mir endlich geglückt. Dann kam direkt der bürokratische Schlag in die Fresse des Unbedarften: „Bitte senden Sie uns bis Montag Ihre Lohnsteuerkarte 2010 zu.„, hieß es Ende letzter Woche. Wie bitte? Lohnsteuerkarte 2010? Haben wir nicht 2011? Wo ist denn eigentlich meine Lohnsteuerkarte für 2011? Hab ich keine bekommen? Muss … Schreibtisch … durchwühlen. Panik machte sich breit.

In Gedanken malte ich mir aus, wie ich Tage und Nächte die Wohnung nach einem lächerlichen gelben Stück Papier durchforsten durfte, begraben unter Tonnen anderem Papier. Woher zum Teufel soll ich denn wissen wo ich die Lohnsteuerkarte von anno Tobak verloren habe? Es war zum verzweifeln. Nach einer halben Stunde ein Scheinerfolg: ich hatte die Lohnsteuerkarten für 2005 und 2006 in der Hand. Verdammt! Na wenigstens weiß ich jetzt wo die sind, falls mal jemand danach fragt.

Nun, um die Sache abzukürzen: Ich habe die Karte gefunden, aber ich verfluche sie. Es wird sowas von Zeit, dass der Mist abgeschafft wird. Das ist doch wirklich mittelalterlich mit diesen dämlichen Lohnsteuerkarten. Zumindest hätte mal einer draufschreiben können, dass die außerplanmäßig zwei Jahre gilt. Wahrscheinlich hätte ich die Lohnsteuerkarte 2009 vorgelegt, wenn ich die als erstes gefunden hätte. Das angegebene Jahr ist doch bestimmt auch nur das Mindesthaltbarkeitsdatum.