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Gilmore GirlsIm Frühjahr 2004 war ich gerade noch mit der Vorbereitung auf mein Abi beschäftigt, als ich in einer müßigen Stunde durch Zufall auf VOX eine einzelne Folge der US-amerikanischen TV-Serie “Gilmore Girls” sah. Eigentlich nicht einem meiner bevorzugten Genres entsprechend, machte mich diese Serie und ihre eigenartigen und doch charmanten Charaktere überraschenderweise sofort neugierig. Ich sah mir die meisten Episoden in den folgenden Monaten in chronologischer Reihenfolge an und wurde damals ganz unerwartet so etwas wie ein Fan der Gilmore Girls, was mir teilweise auch einigen Spott von bestimmten Individuen einbrachte. Die Serie lief insgesamt über sieben Staffeln und 153 Folgen zwischen 2000 und 2007. Im Jahr 2016 entstand durch Netflix eine vierteilige Miniserie, die die Ereignisse der ein wenig unversöhnlich endenden Serie zumindest halbwegs abschließen sollte.

Bei den titelgebenden Gilmore Girls handelt es sich um die junggebliebene Mutter und Anfangdreißigerin Lorelai Gilmore (Lauren Graham), sowie ihre intelligente, ambitionierte Teenager-Tochter Rory Gilmore (Alexis Bledel). Und theoretisch, wenn man möchte, komplettiert die Großmutter Emily Gilmore das Trio noch, aber diese spielt eine eindeutig untergeordnete Rolle. Die kleinen Geschichten um die Gilmore-Mädels spielen in der fiktiven, beschaulichen US-Kleinstadt Stars Hollow und drehen sich zumeist auch um deren liebenswerte und wirklich zahlreiche Bewohner. Die bodenständige Lorelai, die ein Problem mit gesellschaftlichen Konventionen und ein schwieriges Verhältnis zu ihren reichen, versnobten Eltern Emily und Richard hat, wird bereits mit 16 Jahren schwanger. Die junge Frau wird folglich zur Heirat mit dem Vater des Kindes gedrängt, doch stattdessen führt dies zu einer schweren Familienkrise und schließlich zum Bruch mit den Eltern. Lorelai zieht Rory ganz alleine und ohne den Reichtum der Eltern groß, erfährt dabei aber gleichzeitig viel Unterstützung durch die Gemeinde, in die sie zieht. Rory wird so etwas wie das geliebte Töchterchen des ganzen Ortes.

16 Jahre später ist Rory zur hübschen, aufgeweckten Teenagerin und Musterschülerin aufgeblüht und steht an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Sie soll nun auf eine angesehene, teure Privatschule gehen, die ihr zwar die besten Zukunftsaussichten bieten wird, doch die erwarteten Schulgebühren sind leider enorm. Sie übersteigen die finanziellen Mittel von Lorelai bei weitem, daher nimmt sie entgegen ihrer Prinzipien wieder Kontakt zu ihren Eltern auf, und bittet demütig um das Geld für Rorys Schule. Diese wollen jedoch endlich am Leben ihrer Enkelin teilhaben und knüpfen den regelmäßigen Kontakt als Bedingung an die Vereinbarung. Ihr Leben wird fortan völlig auf den Kopf gestellt, bei dem aussichtslosen Versuch, es ihren anspruchsvollen, traditionsverliebten Eltern irgendwie recht zu machen. Und plötzlich muss sich die bisher stolze, unabhängige Mutter damit auseinandersetzen, dass sie selbst im Grunde auch nur Kind ist.

Gilmore GirlsDie Serie lebt hauptsächlich von den starken, ungewohnt schnell gesprochenen Dialogen, insbesondere zwischen Lorelai und Rory, die ausdrücklich nicht allein Mutter und Tochter, sondern vor allem beste Freundinnen sind, was sich in ihrer perfekt eingespielten, kooperativen Lebensweise äußert. Sie haben ihre Alltagsrituale, ihre Insiderwitze und ihre ganz speziellen Spleens, die für Außenstehende selten nachzuvollziehen sind. Im Leben der Gilmore Girls ist alles in Bewegung, auch in Bezug auf ihre vielen romantischen Beziehungen, die im Verlauf der sieben Staffeln aufgezeigt werden. Konflikte lassen selbstverständlich auch nicht lange auf sich warten, so wechseln sich Comedy und Drama in schöner Regelmäßigkeit ab, was die Serie für den Zuschauer zu einer emotionalen Achterbahn werden lässt. Doch die Probleme, die man in dieser kleinen, relativ heilen Welt hat, bleiben weitestgehend auf Stars Hollow begrenzt, ein größeres Übel sucht man vergebens. Alles behält bis zum Ende seinen Kleinstadtcharme.

Die vier längeren Episoden der weiterführenden Serie “Gilmore Girls: Ein neues Jahr” mit den Titeln “Winter”, “Frühling”, “Sommer” und “Herbst” bilden den Abschluss der eigentlichen Serie, mit einem zeitlichen Abstand von fast 10 Jahren. Die Welt hat sich weitergedreht, alle sind reifer geworden, einige Dinge haben sich verändert, aber die Personen sind im Grunde dieselben geblieben. Jede wichtige Figur der Serie bekommt noch einmal ihren verdienten Gastauftritt, bevor der Vorhang zum Ende des Herbstes dann endgültig fällt – nicht jedoch ohne einen kleinen, unerwarteten und unaufgelösten Cliffhanger. Diese Kapitel im Leben der Gilmore Girls sind somit abgeschlossen, und ich habe alles bis zum Ende mitverfolgt und kann sagen, dass ich froh bin, dabei gewesen zu sein. Auch wenn man das in diesem Falle vielleicht nicht jedem gegenüber immer laut sagen sollte. Es ist natürlich zugegebenermaßen eine stark östrogenhaltige Fernsehserie. Doch wenn wir ehrlich sind, kommt dies nicht ganz ohne Vorteile daher. Die sympathischen und durchaus attraktiven Hauptdarstellerinnen haben jedoch auch noch ihren Beitrag dazu geleistet.

Ich persönlich mochte viele Aspekte der Serie, z.B. dass Lorelai und Rory große Filmfans sind und auch etliche Film- und Fernsehklassiker immer wieder gerne zitieren, was für Cineasten ein großer Spaß ist. Auch klassische Literatur und Musik kommen nicht zu kurz. Doch die große Stärke der Serie sind die teils komplexen, zwischenmenschlichen Beziehungen und die Romanzen, die sich allmählich entwickeln. Ich konnte mit Luke Danes, dem Besitzer des Diners, sehr oft sympathisieren, weil er mit seinem Image eines Einzelgängers und der Art eines verschrobenen Holzfällers erst ganz heimlich für Lorelai schwärmte, später aber aktiv nach Möglichkeiten suchte, ihr Herz für sich zu gewinnen, obwohl die beiden verschiedener kaum sein könnten. Er wollte lernen, Frauen besser zu verstehen, und nahm mich gewissermaßen mit auf diese Erfahrungsreise, um mir zu zeigen, dass nichts aussichtslos ist, wenn man sich nur bemüht. Auch Rorys erste Liebe mit ihrem Freund Dean in der ersten Staffel sollte nicht nur den beiden Charakteren, sondern auch mir damals als Lehrstück für Beziehungen dienen. Zumindest würde ich nicht behaupten, nichts aus deren Erfahrungen gelernt zu haben.

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Vor einigen Jahren machte ein Freund in einem Gespräch mit mir beiläufig einen kleinen Scherz – eine Anspielung auf eine bekannte Mystery-Serie. Als ich darauf nicht reagierte, fragte er mich beinahe vorwurfsvoll, ob ich denn Twin Peaks nicht gesehen hatte. Ich musste die Frage verneinen. Als ich nun Ende November letzten Jahres auf der Suche nach für mich unverbrauchtem Serienmaterial war, fiel mir die neue Blu-ray-Box ins Auge, und ich erinnerte mich an diese vage Serienempfehlung. Sofort bestellte ich das Ding, denn soviel Vertrauen hatte ich in das Urteilsvermögen des Freundes. Außerdem kenne ich einige Filme des Regisseurs David Lynch. In seiner Romanverfilmung „Dune“ spielte sogar ebenfalls Twin Peaks Hauptdarsteller Kyle MacLachlan mit.

Mein Kommentar zu Twin Peaks fällt leider recht dünn aus, also dünner noch als sonst, denn ich kann leider nicht behaupten in der Serie den vollkommenen Durchblick gehabt zu haben. Die Serie ist tatsächlich auf ihre ganz spezielle, unglaublich verdrehte Weise äußerst gut. Ich kann nur überhaupt nicht sagen wieso eigentlich. Die erste Staffel, die 1990 ausgestrahlt wurde, fängt nüchtern an: In der amerikanischen Kleinstadt Twin Peaks direkt an der kanadischen Grenze wird die Leiche einer beliebten Schülerin gefunden – Laura Palmer – eingewickelt in Plastikfolie. Da der hiesige Sheriff Truman keine besondere Erfahrung mit Mordfällen hat, und da es Hinweise darauf gibt, dass es sich um einen Serienmörder handeln könnte, wird Detective Dale Cooper vom FBI nach Twin Peaks beordert, um den Mord zu untersuchen.

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Schnell stellt Cooper, der in der Stadt sofort wärmstens empfangen wird, fest, dass in Twin Peaks fast jeder irgendetwas Krummes am Laufen hat, weswegen die Serie sich in mehrere Handlungsstränge untergliedert, die aber alle miteinander verbunden sind, was man manchmal früher, manchmal erst später merkt. Schon nach wenigen Episoden beschreitet die Serie nach und nach den Weg ins Spirituelle, ins Übernatürliche. Es geht da um irgendeine weiße Hütte, und eine schwarze Hütte, und um rote Vorhänge in der schwarzen Hütte. Menschen sprechen dort grundsätzlich rückwärts, bzw. eigentlich vorwärts, aber so dass es wie rückwärts klingt. Oder vielleicht doch eher umgekehrt. Es ist alles ziemlich kompliziert. Ich kann verstehen, dass man die Serie liebt, wenn man die totale Erleuchtung hat, ich kann aber auch verstehen, wenn man mit der Serie absolut nichts anfangen kann, weil ohne die Erleuchtung alles ziemlich nach Unsinn klingt.

Soweit ich es durch das Making-Of und die Interviews verstanden habe, war ursprünglich geplant, dass das große Geheimnis um den Mörder des promiskuitiven Highschool-Mädchens die Serie tragen sollte, bis schließlich in einem spannenden Serienfinale das Rätsel gelöst würde. Das hätte womöglich auch wunderbar funktioniert, die Serie war in den USA ein echter Erfolg Anfang der 90er. Der produzierende Sender wollte bei diesem grandiosen Masterplan aber nicht mitspielen, und zwang die beiden Autoren der Serie, den Namen des Mörders schon viel früher zu enthüllen, nämlich kurz nach der ersten Staffel. Als das Thema damit vom Tisch war, die Akte geschlossen werden konnte, war die Luft aus der Serie für alle Beteiligten irgendwie raus. David Lynch und Mark Frost hatten Schwierigkeiten, die Serie handlungsmäßig in neue Bahnen zu lenken, jetzt wo ihr Zugpferd geschlachtet war. So wurde die Serie zum Ende hin immer abstruser und verwirrender, bis die Zuschauer schließlich mit einem bombastischen Cliffhanger-Staffelfinale hängengelassen wurden. Eine Fortsetzung gab es nicht, das erwartete von den Verantwortlichen auch niemand ernsthaft.

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Twin Peaks besteht aus den beiden Staffeln, sowie dem 1992 erschienenen Spielfilm „Twin Peaks – Der Film“, der zeitlich kurz vor den Geschehnissen der Serie spielt. Die Geschichte wird auf jeden Fall sehr gut erzählt, und ich hatte meine Freude an der Serie. Kyle MacLachlan spielt die Figur des eigenartigen, aber grundanständigen Dale Cooper unglaublich cool. Die vielen Haupt- und Nebencharaktere sind leider viel zu zahlreich, um detailliert auf sie und ihre Bedeutung einzugehen. Interessanterweise wurde gerade erst eine neue Twin Peaks Serie angekündigt, die wohl 2016 ausgestrahlt werden soll, und die wieder alle Darsteller und sogar die beiden Serienmacher erneut zusammenbringen soll. Sinnvoll kann da ja nur sein, dass man die unvollendete Handlung nun 25 Jahre später in der Zukunft fortsetzt.